Als EZB-Chef hat Mario Draghi Italien durch unbeschränkte Anleihenkäufe schon einmal aus der Patsche geholfen, jetzt soll er eine Regierung bilden.

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Rom – Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung, stärkste Einzelpartei im italienischen Parlament, signalisiert Dialogbereitschaft mit Italiens designiertem Premier Mario Draghi, der mit der Regierungsbildung beauftragt worden ist. Als stärkste Einzelpartei habe die Bewegung die Pflicht, mit Draghi zu sprechen, sagte Außenminister Luigi Di Maio, Spitzenpolitiker der Cinque Stelle. Di Maio hatte zuvor eine Expertenregierung abgelehnt, wie sie Draghi bilden will.

Der 73-jährige Draghi kann mit der vollen Unterstützung der konservativen Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi rechnen. Schon vor Wochen habe die Partei eine Persönlichkeit von hohem institutionellen Profil als Premier einer neuen Regierung vorgeschlagen, meinte Berlusconi.

Renzi zuversichtlich

Zuversichtlich, dass Draghi eine tragfähige Mehrheit auf die Beine bringen wird, ist der Gründer der Splitterpartei Italia Viva, Matteo Renzi, der die bisherige Regierungskoalition gesprengt hatte. Er zeigte sich überzeugt, dass Draghi schon kommende Woche das Vertrauen des Parlaments erhalten wird. Zur "FAZ" sagte er: "Ich habe vor gut drei Wochen die politische Krise ausgelöst, weil ich die Regierung verbessern wollte", so Renzi. "Der Name Draghi war ein Traum von uns allen, und nun ist dieser Traum Wirklichkeit geworden. Die italienische Regierung wird jetzt eine bessere sein."

Auch die Sozialdemokraten (Partito Democratico/PD), die die Regierung des zurückgetretenen Premiers Giuseppe Conte unterstützt hatten, befürworten ein Fachleutekabinett unter der Führung Draghis.

Der Ex-EZB-Chef hatte am Mittwoch politische Konsultationen mit den Parteien begonnen, um eine Expertenregierung in Rom auf die Beine zu stellen. Wie lange Draghis Konsultationen dauern werden, ist noch unklar. Die Befürworter von "Mr. Euro" hoffen, dass er bis zu diesem Wochenende eine tragfähige Regierung bildet. Nicht ausgeschlossen wird, dass Draghi jedoch mehrere Tage brauchen könnte, um eine solide Mehrheit im Parlament zu finden.

Regierungsauftrag

Sollte er in den kommenden Tagen bei seinen Gesprächen eine Mehrheit der Parlamentarier von seinem Programm überzeugen, wird Draghi den Regierungsauftrag offiziell annehmen und Staatspräsident Sergio Mattarella eine Ministerliste vorlegen. Danach muss er sich einer Vertrauensabstimmung im Parlament unterziehen.

Conte selbst sprach sich gegen eine Expertenregierung aus. Das Land sei wegen Pandemie und Wirtschaftskrise mit gravierenden Problemen konfrontiert, die politische Beschlüsse nötig machen würden und deren Lösung nicht Fachleuten anvertraut werden könnten, sagte Conte am Donnerstag vor der Abgeordnetenkammer in Rom.

Conte traf Draghi

Conte hatte am Dienstag den mit der Regierungsbildung beauftragten Ex-Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, getroffen. "Ich habe ihm gute Arbeit gewünscht", erklärte der 56-jährige, der Italien seit Juni 2018 regiert hatte. Er richtete auch einen Appell an die Fünf Sterne-Bewegung und an die Sozialdemokraten (PD/Partito Democratico) und plädierte für den Fortbestand der politischen Allianz, die seiner Ansicht nach Früchte gezeigt habe.

Der Fünf Sterne-Bewegung, die ihn im Juni 2018 als Premier vorgeschlagen hatte, sagte Conte, er stehe ihr zur Verfügung. Damit dementierte Conte de facto kursierende Gerüchte, laut denen er eine eigene Partei gründen wolle. (APA, red, 4.2.2020)