Der OGH hat eine Verschmelzung innerhalb einer Unternehmensgruppe deutlich erleichtert.

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Eine Gesellschaft ist Alleingesellschafterin von fünf Tochtergesellschaften. Bei diesen Gesellschaften wurde die Eintragung der Verschmelzung aller Tochtergesellschaften als übertragende Gesellschaften mit der Muttergesellschaft als übernehmende Gesellschaft im Firmenbuch beantragt. Zwei der Tochtergesellschaften wiesen ein negatives Eigenkapital auf, die Muttergesellschaft ein positives Eigenkapital, das das negative Eigenkapital der Tochtergesellschaften bei weitem überstieg.

In der dem Firmenbuchgericht vorgelegten fiktiven Übernahmebilanz der Muttergesellschaft wurde die fiktive bilanzielle Situation der Muttergesellschaft dargestellt, wie sie bestünde, wenn alle fünf Verschmelzungen wirksam wären. Darin waren auf der Aktivseite die Beteiligungsansätze der fünf übertragenden Tochtergesellschaften mit null Euro angegeben. Die Passivseite wies ein positives Eigenkapital von rund fünf Millionen Euro auf.

Ausgleichsmaßnahmen verweigert

Das Firmenbuch bemängelte das negative Eigenkapital von zwei Tochtergesellschaften als Hindernis für die Verschmelzung und forderte die Antragsteller auf, Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen. Die Antragsteller verweigerten diese im Wesentlichen mit dem Verweis auf das positive Eigenkapital der Muttergesellschaft, das die Verschmelzung trotz des negativen Eigenkapitals der Tochtergesellschaften zulässig mache.

Daraufhin trug das Firmenbuch die Verschmelzung der drei weiteren Tochtergesellschaften als übertragende Gesellschaften mit der Muttergesellschaft ein und wies den Antrag der beiden Tochtergesellschaften mit negativem Eigenkapital ab. In einer aktuellen Entscheidung gab der Oberste Gerichtshof allerdings dem Antragsteller recht: Angesichts der besonderen Umstände sind alle Verschmelzungen im Firmenbuch einzutragen (OGH 25.11.2020, 6 Ob 203/20a). Damit weicht der OGH von der bisherigen Firmenbuchpraxis ab.

Bisherige Rechtsprechung

In der Entscheidung 6 Ob 4/99b sprach der OGH aus, bei einer Verschmelzung einer Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft (Verschmelzung down stream) müsse das übertragene Vermögen der Muttergesellschaft einen positiven Verkehrswert aufweisen.

In der Entscheidung 6 Ob 70/03t zu einer Schwesternverschmelzung meinte der OGH, dass eine Gläubigergefährdung evident sei, wenn nicht nur die Vermögenslage der übertragenden Gesellschaft auf einen negativen Verkehrswert hinweise, sondern bei der übernehmenden Gesellschaft eine Überschuldung naheliege. Der Gesetzgeber wolle nicht Verschmelzungen zulassen, die zu einem insolvenzreifen Gebilde führen. Eine Verschmelzung sei daher unzulässig, wenn die fusionierte Gesellschaft überschuldet sei.

In den die Umwandlung einer GmbH in eine Kommanditgesellschaft betreffenden Entscheidungen 6 Ob 235/07p und 6 Ob 236/07k sprach der OGH aus, ein Umgründungsvorgang müsse nicht zwingend zur Verbesserung der Situation der Gläubiger führen. Es gebe keinen Grundsatz, dass überschuldete Gesellschaften nicht übertragen oder eingebracht werden könnten, oder dass die übertragende Gesellschaft einen positiven Wert haben müsse.

Was die Lehre dazu sagt

In der Lehre besteht Einigkeit darüber, dass bei der Upstream-Verschmelzung das Vermögen der übertragenden Tochtergesellschaft negativ sein kann, sofern die Muttergesellschaft nach der Verschmelzung die (fälligen) Verbindlichkeiten sämtlicher Gläubiger (sowohl der übertragenden als auch der übernehmenden Gesellschaft) bedienen kann und durch die Übernahme des negativen Vermögens nicht selbst insolvenzreif wird. Denn es sei der Muttergesellschaft gestattet, ihre Tochtergesellschaft zu sanieren und dann die Verschmelzung durchzuführen. Dasselbe Ergebnis werde erreicht, wenn die Tochtergesellschaft mit negativem Vermögen sofort auf die Muttergesellschaft verschmolzen werde.

Die Verschmelzung einer nicht nur buchmäßig überschuldeten übertragenden Gesellschaft ist nach der Literatur auch dann zulässig, wenn die übernehmende Gesellschaft deutlich größer ist und eine ausreichende Bonität aufweist, insbesondere die übernommenen Verbindlichkeiten bereits in freien Rücklagen oder einem Gewinnvortrag der übernehmenden Gesellschaft Deckung finden.

Die tatsächlichen Werte zählen

Der OGH hält diese Lehrmeinungen in seiner aktuellen Entscheidung für zutreffend: Für die Frage des positiven Verkehrswerts bzw. der Überschuldung kommt es nicht auf Buchwerte, sondern die tatsächlichen Werte an. Die Antragsteller haben in der Anmeldung den positiven Verkehrswert der hier gegenständlichen Tochtergesellschaften behauptet, aber im Verfahren nicht belegt. Es ist daher von deren negativen Buchwerten auszugehen.

Das negative Eigenkapital beider Tochtergesellschaften wird allerdings bei weitem von der nicht gebundenen Kapitalrücklage und dem Bilanzgewinn der übernehmenden Muttergesellschaft abgedeckt. Die übernehmende Gesellschaft ist nach der Verschmelzung weder buchmäßig überschuldet, noch gibt es Hinweise auf einen Insolvenztatbestand. Somit ist die Eintragung beider Verschmelzungen zu bewilligen. Damit hat der OGH nun klargestellt, dass – anders als zum Teil in der bisherigen Firmenbuchpraxis – in solchen Fällen keine Begleitmaßnahmen vorgenommen werden müssen. (Bernhard Rieder, 5.2.2021)