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Infrage käme unter anderem der Impfstoff der Firma Sinovac, der in Indonesien, Brasilien und der Türkei bereits mit Notfallzulassung im Einsatz ist.

Foto: REUTERS/Thomas Peter

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) macht auf Twitter Druck – zumindest rhetorisch. Wenige Tage nach Bekanntwerden positiver Studienergebnisse zum russischen Impfstoff Sputnik V forderte Kurz Donnerstagfrüh, es dürfe "keine geopolitischen Tabus geben", wenn es um die Impfstoffzulassung gehe. Die Behörde EMA solle "natürlich auch die Zulassung von chinesischen Impfstoffen oder des russischen Impfstoffs prüfen, wenn diese (sic) einen Antrag stellen".

Der springende Punkt dabei, freilich, liegt im letzten Halbsatz. Sie habe "ein bisschen lachen müssen", sagt die unabhängige Virologin und Impfstoffexpertin Christina Nicolodi, als sie jüngst eine ähnliche Forderung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gelesen habe. Denn: Gibt es einen solchen Antrag auf Zulassung, dann prüfe die EMA diesen selbstverständlich ohnehin. Im Falle von Sputnik V ist der Hersteller, das Gamaleja-Institut, nach russischen Angaben von Mitte Jänner in Kontakt mit der EMA. Formell übermittelt wurde ein Antrag aber offenbar noch nicht. Über Anträge chinesischer Firmen bei der EMA ist bisher nichts bekannt.

Infrage kämen derzeit drei Vakzine aus China. Zunächst ein Totimpfstoff der Firma Sinovac. Laut einer brasilianischen Studie weist er eine Wirksamkeit von 50 Prozent auf. Er ist in Indonesien, Brasilien und der Türkei mit Notfallzulassung im Einsatz, in China wurde er vor der Zulassung zehntausenden Menschen verabreicht. In den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und mehreren südamerikanischen Staaten ist ein Mittel der Firma Sinopharm im Einsatz. Dies ist zudem jenes Vakzin, das Ungarn bestellt hat. Auch hier gilt: Hunderttausende wurden in China schon damit geimpft, eine Studie in den VAE ergab eine Wirksamkeit von 86 Prozent. Und es gibt noch einen Vektorimpfstoff der Firma Cansino, er wurde in China Soldaten verabreicht.

Monatelanger Prozess

Könnten diese Vakzine in der EU oder in Österreich schnell zugelassen werden? Auf regulärem Wege nicht, sagt Expertin Nicolodi zum STANDARD. Es müssten zunächst Zertifikate für Fabriken ausgestellt werden, dafür seien Besichtigungen nötig – notfalls gehe das remote, das sei aber schwer. Gewöhnlich dauere so ein Prozess Monate. Bis zur Zulassung wäre in diesem Fall wohl schon genug Impfstoff aus den bisherigen Bestellungen in Österreich.

Offen stehe der EMA der Weg über eine Notfallzulassung, dieser sei schneller denkbar. Allerdings habe man ihn bisher bei allen anderen Impfstoffen nicht gewählt – der richtige Weg, so Nicolodi, eine gewissenhafte Prüfung sei sinnvoll. Ist es Kurz wirklich ernst, könnte Österreich einen Notfall deklarieren und Impfstoffe auf nationaler Ebene und ohne EMA zulassen. Dass Österreichs Behörden das tun würden, hält Nicolodi aber für unwahrscheinlich. (Manuel Escher, 4.2.2021)