Statisten – Niemand will sie, alle brauchen sie

Sie sind das große Hintergrundrauschen, die Statisten im Weltzirkus Eislaufplatz. Durch und durch amateurhaft und nur gelegentlich aufs Eis zu bewegen, besteht ihre Aufgabe darin, in der Masse unterzugehen.

Schönbrunn-Touristen, Wochenendausflüglern oder Lockdown-Spaziergängern vergleichbar, verabreden sich diese schrecklich normalen Normalos paarweise, familiär oder – sofern behördlich erlaubt – zu Freundesgrüppchen ohne jede sportliche Ambition. Zum Beweis dessen stolpern sie in allein vom Zuschauen schmerzenden Plastikkübeln mit Schnallen und stumpfen "Kufen", die ein Erlernen der Kunst von vornherein ausschließen, auf dem Eis herum.

Zur Ehrenrettung der Statisten sei gesagt: Ohne sie geht nichts! Denn zum großen Teil finanzieren sie uns den ganzen Spaß.

Schuhe zuschnüren, bevor es aufs Eis des Wiener Eislaufvereins geht.
Foto: Regine Hendrich

Winzlinge – Zukunftsvorsorge der Eisfamilie

Spätestens im reifen Alter von drei Jahren sollte ein angehender Eislaufvirtuose die kalte Platte zumindest schon einmal gespürt haben – mit welchem Körperteil das zuerst geschieht, ist dabei noch nicht so wichtig. Den putzigen Winzlingen gebührt unser aller Respekt und Schutz.

Im Getümmel sind sie recht einfach zu erkennen. Die Winzlinge schieben nämlich unentwegt irgendwelche Pinguine und Eisbären aus Plastik durch die Gegend. Als "Stützräder" geben ihnen diese Viecherln Halt und Sicherheit, als weithin sichtbare Warnung schrecken sie außerdem Dumpfbacken und Bruchpiloten ab, die den Winzlingen gefährlich werden könnten.

Allen Eltern sei gesagt: Helm, feste Fäustlinge und Begleitschutz sind Pflicht. Denn die Winzlinge sind die Zukunftsvorsorge der gesamten Eisfamilie.

Hockey-Pros – Eiskönige in Zivil

Wenn Eishockeyspieler und -innen beim Publikumslauf erscheinen, dann hat das seine Gründe – entweder sie erholen sich vom schweren Training, pausieren, weil die Schulter "krack" gemacht hat, haben ein Date mit Imponiernotwendigkeit oder: werden im Lockdown langsam (un)rund.

Hockey-Pros wollen jedenfalls auch in Zivil ohne Stock und Rüstung zeigen, dass sie die komplettesten Eisläufer sind. Man erkennt sie an fest geschnürten Bock der Marken Bauer oder CCM, die tiefe Gebrauchsspuren aufweisen. Als einsame Wölfe ziehen sie mühelos im Slalom an den Massen vorbei. Wenn sie ihresgleichen erblicken, legen sie meist noch einen Zahn zu.

Klischees sind aber alle falsch: Hockey-Pros sind rücksichtsvolle Wesen. Sie wissen, wo der Bodycheck definitiv nicht hingehört.

Freestyler – Verschworene Disco-Hippies

Sie tragen weite Baggyhosen mit Camouflagemuster und in ihren Profischuhen neonfarbene Schuhbänder. Vermutlich haben sie auf dem Eislaufplatz ihre allererste Knusperzigarette geraucht, noch wichtiger aber fast ist der obligate Dosen-Energydrink.

Es weiß eigentlich niemand genau, wer sie sind oder wie sie sich nennen – zu sehr schotten sie sich in verschworenen Grüppchen in den Ecken des Eislaufplatzes ab. Dort aber geht es dann zur Sache: Wie beim Battlerap oder Breakdance treten sie gegeneinander im Wettstreit an. Ihre Moves sind zigtausendfach geübt, sie versöhnen Hockey-Optik und Eistanz mit Techno-Stampferei wie Hardstyle und dem Shuffle-Dance.

Nennen wir sie ... Freestyler. Es ist gut, dass es sie gibt. Sie retten das bedrohte Kulturgut Eisdisco vor dem technischen K. o.

Eislaufverein Wien
Foto: Regine Hendrich

Eistänzer – Schweigsame Elite

Wären wir hier bei Herr der Ringe, dann wären sie das Volk der Elben: Eistänzer. Außenstehende kennen sie als schweigsame, leicht melancholisch bis ein bisserl blutleer wirkende Eisgenossen.

Wenn sie zu Strauß-Walzern und böhmischer Polka federleicht ihre Pirouetten drehen, beobachten sie Hockey-Pros und Freestyler argwöhnisch aus den Augenwinkeln. Bewundert werden sie für ihre Eleganz, belächelt für die Allüren, die ihrem Sport anhaften.

In ihren sorgfältig vom Eispöbel abgezirkelten Sonderbereichen verkörpern sie das, was man im Off-Ice-Leben Elite nennen würde. Dabei tut man ihnen mit diesem Etikett mitunter unrecht. Das Leben der legendären Rüpel-Tänzerin Tonya Harding (siehe Biopic I, Tonya) zeigt, dass es nicht immer Upper-Class sein muss.

Foto: Regine Hendrich

Halbstarke – Schwererziehbar, voll Potenzial

Abgesehen vom klassischen Eislaufplatzpersonal wie dem Eismeister und der Kantinenmama gehören sie zu den wenigen, die zwar immer da sind, aber eigentlich nicht wegen des Eislaufens kommen: Halbstarke scharen sich in Rudeln bis zu vier Jungmännern um ein bis zwei Eisprinzessinnen, denen sie aktuell den Hof machen.

Dieses Balzschauspiel findet meist entlang der Bande oder in Bereichen der Umkleide statt und läuft über weite Strecken von der Allgemeinheit völlig unbehelligt ab. Unangenehm kann es aber werden, wenn den edlen Rittern zu viel Alkopop der Marken Bacardi Breezer und Eristoff Ice, Tschick und Dosenenergie in die Wadln fahren und das Eis zum Turnierplatz wird.

Eine Lösung hierfür böte sich an, wird aber viel zu selten genutzt: Ab zum Hockeytraining!

(Stefan Weiss, 5.2.2021)