Aus Angst vor urheberrechtlichen Problemen verwendete Rainer kaum Magazinfotos. Die Lösung lieferte Rene Rietmeyer mit Vorlagen wie einer 2014 produzierten Bondage-Serie.

Courtesy GAA-Foundation

Arnulf Rainer bei seiner Arbeit an der Bondage-Serie in seinem Atelier auf Teneriffa Anfang 2014. Der heute 91-Jährige begann 2011 erstmals mit lebenden Nacktmodellen zu arbeiten.

Courtesy GAA-Foundation

Fälschungen oder echte, jedoch von Arnulf Rainer rückwirkend verstoßene Werke: Das ist die Kernfrage, mit der sich Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) Niederösterreich und das Bezirksgericht Innere Stadt derzeit herumschlagen müssen. Die Causa, die DER STANDARD Ende Dezember öffentlich machte, ist eher komplexer Natur. Im Mittelpunkt stehen Werke mehrerer Serien, die Rainer zwischen 2011 und 2014 schuf: Übermalungen, denen motivisch erotische und pornografische Aufnahmen zugrunde liegen, für die der Künstler die Bildregie geführt hatte.

Mitte 2019 sollten zwei solcher Arbeiten versteigert werden; sie wurden jedoch von Rainers Lebensgefährtin Hannelore Ditz als Fälschungen deklariert und vom LKA beschlagnahmt. Seit kurzem liegt dessen Abschlussbericht vor. Demnächst wird die zuständige Staatsanwältin entscheiden, ob das Verfahren eingestellt oder Anklage wegen schweren Betrugs erhoben wird. Die von den Ermittlern auf Basis von Einvernahmen und einem grafologischen Gutachten gekochte Suppe wirkt dünner, als die Schlussfolgerungen glauben machen.

Tauschgeschäft

Wen die Kriminalbeamten nun im Visier haben? Rene Rietmeyer, der von 2009 bis 2014 mit Arnulf Rainer auf unterschiedlichen Ebenen kooperierte: Dessen Stiftung Global Art Affairs (GAA) organisierte etwa Ausstellungen in Venedig, publizierte Projektdokumentationen und Kataloge und produzierte vor allem die Vorlagen der Übermalungen. Und: Er hatte all das über die Jahre auch finanziert. Rietmeyer zufolge bekam er für diese Leistungen sowie für das Urheberrecht seiner Vorlagen – die Rainer, in einem Albertina-Video von 2019 erkennbar, bis heute verwendet – von Rainer Werke aus den verschiedenen Serien. Selbstverständlich signiert und damit autorisiert, andernfalls hätte es sich ja um keine Abgeltung gehandelt, wie er betont.

Insgesamt waren es etwa 620, die 2013 teils in einer Ausstellung in Venedig zu sehen waren. Einige wenige verkaufte er an Galeristen, den Großteil an eine Sammlerin aus Wien: an Brigitte Löw, die dafür Ende 2017 eine auf vier Jahre ausgelegte Ratenzahlung vereinbarte, die letzte Rate überwies sie im Dezember 2020.

Löw hatte nie den leisesten Zweifel an der Echtheit der Werke, zumal sie von Rietmeyer zugehörige Zertifikate erhalten hatte. 300 Arbeiten aus ihrem Bestand trat sie, auch zum Zweck der Refinanzierung ihres Ankaufs, 2018 an den Galeristen Gerald Ziwna ab. Dieser plante anlässlich Arnulf Rainers 90. Geburtstag für 2019 eine Ausstellung, zu der es nicht kommen sollte.

Dem Ermittlungsakt zufolge sollte Ziwna "mit allen rechtlichen Möglichkeiten davon abgehalten" werden "die Ausstellung durchzuführen". Alternativ sollte Ziwna "in eine Strategie gegen Herrn Rietmeyer eingebunden werden", dazu sollten "sämtliche Rechte" an den Galeristen übertragen werden, der sich "im Innenverhältnis gegenüber Arnulf Rainer zu einem abgestimmten Verhalten" verpflichtet, wie der Rechtsanwalt von Rainer und Ditz vorschlug.

Der Familie war also daran gelegen, dass Werke aus der Serie in Österreich nicht gezeigt werden. 2019 wollte Ziwna die später als vermeintliche "Fälschungen" beschlagnahmten Arbeiten versteigern lassen. Hier schließt sich der Kreis. Denn damit gerieten die anderen Werke im Eigentum von Brigitte Löw unter Generalverdacht. Die Sammlerin setzte sich mit einer Klage zur Wehr.

Grafologisches Gutachten

Laut dem im Zuge der LKA-Ermittlungen erstellten grafologischen Gutachten sei die Echtheit der Signatur auf den beschlagnahmten sowie weiteren von der Familie Rainers vorgelegten Schriftproben aus dem Rietmeyer-Konvolut "unwahrscheinlich", jedoch nicht ausgeschlossen.

Die ganze Sache stinke, erklärt Helmut Zambo, "die Frage ist lediglich, wer hat den Furz gelassen". Der österreichische Unternehmensberater sammelt seit Jahrzehnten Werke von Arnulf Rainer und hat auch Erfahrungen mit Fälschungen gemacht. Aus seiner Sicht ließe sich die Frage der Echtheit schnell klären: Entweder soll Rainer selbst oder ein gerichtlich beeideter Sachverständiger das gesamte Konvolut begutachten. Diesen Vorschlag hatte die Sammlerin mehrmals und auch vor Gericht gemacht: Allein er wurde von Hannelore Ditz, namens Arnulf Rainer, rundweg abgelehnt. (Olga Kronsteiner, 5.2.2021)