Die ESA will vom Staat Österreich jenes Geld zurück, das sie den Geschädigten der Commerzialbank ausbezahlt hat.

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Wien/Mattersburg – Im Skandal um die Commerzialbank Mattersburg hat nun die Einlagensicherung Austria (ESA) die Republik Österreich geklagt. ESA-Chef Stefan Tacke bestätigte der APA einen Bericht der "Kronen Zeitung" (Freitagausgabe).

Am Donnerstag hat die ESA eine Amtshaftungsklage auf 490 Millionen Euro beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (LG ZRS) eingebracht Die ESA will vom Staat jenes Geld zurück, das sie an die Geschädigten des burgenländischen Geldinstituts ausbezahlt hat.

Die Einlagensicherung finanziert sich aus Beiträgen der Banken. Dadurch sind bis zu 100.000 Euro pro Person und Institut abgesichert. Im Fall der Commerzialbank Mattersburg hat die Einlagensicherung rund 490 Millionen Euro ausbezahlt. Die Amtshaftungsklage richtet sich trotz der hohen Gerichtsgebühren auf den vollen Schadensbetrag und nicht zunächst auf einen Teilbetrag, sagte Tacke.

Aufgaben nicht erfüllt

Dem STANDARD erklärte er, welche staatlichen Organe gemäß Rechtsmeinung der ESA Fehler gemacht hätten: die für die Bankenaufsicht zuständige FMA, Oesterreichische Nationalbank (OeNB) sowie das Finanzministerium (war früher für die Beaufsichtigung der Banken zuständig) und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Letztere hatte 2015, nach einer Anzeige der FMA, keine Ermittlungen aufgenommen, weil sie keinen Anfangsverdacht sah. All diese Institutionen hätten laut ESA-Klage ihre Aufgaben nicht gesetzesmäßig erfüllt. Wäre dem so gewesen, wäre der Schaden nicht oder nicht in der nun relevanten Höhe entstanden.

Verfassungsgerichtshof soll prüfen

Zudem regt die ESA beim Landesgericht Wien eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit jener Bestimmung im Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (FMABG, Paragraf 3) an, wonach die Aufsicht gegenüber den Anlegern für Schäden, die bei ihrer Vollziehung entstünden, nicht hafte. Amtshaftungsklagen, mit denen Schadenersatz geltend gemacht wird, hätten demnach keinen Erfolg; die ESA sieht diese Bestimmung als verfassungswidrig an. "Das würde heißen, dass niemand für die Untätigkeit der FMA und der Nationalbank bei der Commerzialbank die Republik auf Schadenersatz klagen könnte", sagte Tacke der APA. Die entsprechenden Behörden sagen, dass sie ihrer Aufsichtstätigkeit nachgekommen seien und dass es sich bei der Commerzialbank um einen "Kriminalfall" handle. Das sagte jüngst auch OeNB-Vizegouverneur Gottfried Haber wieder, im U-Ausschuss des burgenländischen Landtags.

Gutachten von Wiener Uniprofessor

Klägerin ESA stützt sich bei der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Paragrafen 3 FMABG auf ein Gutachten, das sie beim Wiener Universitätsprofessor Daniel Ennöckl vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Wien in Auftrag gegeben hat. Sollte das Landesgericht ZRS Wien dem Antrag der Einlagensicherung nachkommen, dann würde der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Bestimmung prüfen.

Vor Einbringen der Klage hat die ESA die Finanzprokuratur als Vertreterin des Bundes dazu aufgefordert, die Forderung anzuerkennen und zu zahlen. Diese hat am letzten Tag der Dreimonatsfrist geantwortet, dass sie keinen Grund dafür sehe, die Organe des Bundes hätten nicht rechtswidrig gehandelt. Der Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, erklärte das so: Die Einlagensicherung stehe im Eigentum der österreichischen Banken und sei daher ein "professioneller Gläubiger", der sich in der Bankwirtschaft auskennen müsse. Sie habe auch von Gesetzes wegen die Möglichkeit, sich Informationen von ihren Mitgliedsinstituten zu beschaffen, auch von der Commerzialbank Mattersburg.

Finanzprokuratur spielt Ball zurück

"In dem gerichtlichen Verfahren wird es daher insbesondere darum gehen, ob es der Einlagensicherung nicht selbst erkennbar gewesen war, dass das Geschäftsmodell der Commerzialbank Mattersburg hinterfragungswürdig ist", sagte Peschorn zur APA. Halte man der FMA vor, dass diese erkennen hätte können, dass bei der Commerzialbank etwas nicht gestimmt hat, müsse man diesen Vorwurf auch der Einlagensicherung machen. Zudem habe der Masseverwalter noch gar nicht alle Ansprüche der ESA anerkannt.

Peschorn verwies darauf, dass seines Wissens nach die Masseverwaltung im Insolvenzverfahren des burgenländischen Geldinstituts bis dato noch nicht alle Ansprüche der Einlagensicherung anerkannt habe. "Wir müssen daher in dem Verfahren auch hinterfragen, welche Personen alle von der Einlagensicherung entschädigt wurden und ob diese dazu legitimiert waren", kündigte Peschorn an.

SPÖ Burgenland sieht sich bestätigt

Die SPÖ Burgenland sieht sich in der ESA-Klage dagegen bestätigt. Sie zeige, dass es sich bei der Pleite der Commerzialbank um ein Versagen der Bundesbehörden handelt. SPÖ- Landesgeschäftsführer Roland Fürst: "Das Land trägt keinerlei Schuld."

Die ESA ist nicht die Erste, die rund um die Pleite der Commerzialbank Mattersburg Amtshaftungsklage eingebracht hat, das haben auch schon geschädigte Bankkunden getan. Auch etliche von ihnen haben beim Gericht die Vorlage beim VfGH beantragt.

Banken bluten

Der Fonds, aus dem die ESA die Entschädigungen von bis zu 100.000 Euro je Bankkunden zahlt, wird von rund 500 österreichischen Banken gespeist. Mit Ausnahme der Erste-Sparkassen-Gruppe, denn die hat ihren eigenen Haftungsverband. Den größten Teil der Anteile an der ESA hält der Raiffeisen-Sektor, er muss entsprechend bluten.

Nach der Insolvenz der früheren Meinl Bank (Anglo Austrian Bank) wurden 60 Millionen Euro an Auszahlungen aus dem Fonds fällig, durchs Umfallen der Commerzialbank kamen 490 Millionen Euro dazu; der Fonds muss sukzessive aufgestockt werden. Im Vorjahr mussten die Banken kräftig einzahlen, ihre Beiträge fürs Jahr 2020 wurden erhöht: Statt 170 Millionen waren es 280 Millionen Euro. Die Institute haben das inzwischen bereits bezahlt.

Unmut im Raiffeisen-Sektor

Bei Raiffeisen hatte das für sektorinternen Unmut gesorgt: Eigentlich war auch dort ein eigener Haftungsverbund geplant gewesen, daraus ist dann aber nichts geworden. Vor allem die Oberösterreicher und Steirer haben sich quergelegt. Nun musste gezahlt werden. (gra, APA, 5.2.2021)