Wanderratten helfen gerne, ausnutzen lassen sie sich aber nicht.
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Es hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Studien zum Sozialverhalten von Ratten gegeben, die das hohe Ausmaß an Kooperationsbereitschaft unter den Tieren zeigten. Man ist in der Rattengesellschaft offenbar jederzeit geneigt, einem bedürftigen Artgenossen zu helfen und ihm beispielsweise Nahrung zuzuschanzen. Allerdings wird dabei nach dem Motto "Strenge Rechnung, gute Freunde" Buch geführt: Hat sich eine Ratte in der Vergangenheit als unkooperativ erwiesen, wird ihr die Hilfe verweigert, wenn sich die Lage umkehrt.

Eine aktuelle Studie des Teams um den österreichischen Verhaltensforscher Michael Taborsky bestätigt diese früheren Befunde nicht nur, sie geht noch darüber hinaus: Offenbar umfasst die Buchführung der Ratten mehr als nur eine Tabelle. Auch wenn sie es im selben Zeitraum mit mehreren unterschiedlich kooperativen Artgenossen zu tun haben, bringt sie das nicht aus dem Konzept. Sie merken sich sehr genau, wie sich jedes einzelne Individuum verhalten hat und revanchieren sich bei ihm in jeweils angemessenem Ausmaß – eine bemerkenswerte Leistung.

Wie du mir, so ich dir

Für das jüngste Experiment steckte das Team um Taborsky, der am Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern forscht, steckte jeweils eine Wanderratte an vier aufeinanderfolgenden Tagen mit einer von vier unterschiedlich spendablen Artgenossen in einen Käfig. Diese vier Nachbarn konnten ihr Haferflocken zuschanzen: Wenn sie an einem Stab zogen, beförderten sie ein Tablett mit einer Haferflocke zur Versuchsratte. Je öfter sie dies taten, umso mehr bekam die Versuchsratte zu fressen.

Am fünften Tag drehten die Forscher den Spieß um: Die Versuchsratten, die in den vier Tagen zuvor von der Großzügigkeit der Nachbarn abhängig gewesen waren, konnten nun ihrerseits einer Ratte, die zufällig aus den vier Nachbarn der Vortage ausgewählt wurde, Haferflocken zukommen lassen. Oder sie ihr verweigern.

Das Ergebnis: "Sie erinnerten sich auch in einer solch komplexen sozialen Situation genau an die Hilfsbereitschaft ihrer Artgenossen und gaben den unterschiedlich hilfsbereiten oder eigennützigen Artgenossen die erhaltene Hilfe zuverlässig nach ihren jeweiligen Vorerfahrungen zurück", so Taborsky. Sogar die Menge der Futterobjekte, die ihnen die Nachbarn in den Vortagen verschafften, hatten sie offensichtlich noch im Gedächtnis und waren dementsprechend freizügig oder eben nicht. (red, APA, 7. 2. 2021)