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Der Wunsch nach einer Bewegung, einer Richtung, ist so groß geworden und so dringend im rasenden Stillstand.

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Können sich pandemiegeplagte, karrierebewusste Topmanager endlich entspannen und den Spruch des Bundeskanzlers vom "Licht am Ende des Tunnels" genießen? Immerhin gibt es Impfstoffe, es wird – besser oder schlechter geplant – geimpft. Entspannung wäre ja auf allen Ebenen der Organisation angesagt. Ja, es ist auch das Management gestresst und ermüdet, das darf einmal gesagt werden.

Tatsächlich dürfen die am besten bezahlten Angestellten allerdings mit dem genauen Gegenteil rechnen. Denn nach fast einem Jahr Pandemie ist Schluss mit dem durch die Umstände gut gedeckten Satz: "Ich weiß es nicht, wir wissen es nicht." Jetzt keinen Plan zu haben geht nicht mehr. Gerade weil die Impfstoffe da sind, die Verwerfungen der Pandemie recht gut abschätzbar sind und weil die Belegschaften müde und ausgepowert sind. Jetzt sind Zukunftspläne gefragt, konkrete Szenarien.

Wie hoch der Druck ist, lässt sich gut in der aktuellen Leadershipliteratur studieren. Jetzt geht es um Aktionen. Klar könnten die lauten, ein Drittel der Leute freizusetzen, eine entsprechende Planrechnung abnicken zu lassen und weiter zu machen wie damals, vor Corona. Überzeugen wird das wohl nicht lange, und ein Platz in der Hall of Fame auf der Straße der Transformation wird sich damit kaum finden.

Neue Perspektiven

Einen Sitzplatz im Karussell der Spitzenpositionen gibt es mit solcher Brachialrestrukturierung offenbar auch nicht, liest sich aus diversen Newslettern internationaler Executive Searcher heraus. Was jetzt von Boards, von Eigentümern und Shareholdern eingefordert wird, beschreibt eine der international größten Personalberatungen im Leadershipbereich, Korn Ferry, mit einem krassen Bild: Jetzt müsse der oder die CEO wie "Michelangelo vor dem Marmorblock" stehen und eben wissen, welcher David sich da herausmeißeln lasse. Eine merkwürdige Überhöhung von Spitzenjobs in gewinnorientierten Unternehmen.

Es geht wohl auch nicht in jeder Firma um den Michelangelo und seinen David. Aber sicher geht es jeweils um konkrete Perspektiven für die Mitarbeitenden. Reinbeißen und durchhalten, akzeptieren, dass die Perspektive nur bis abends reicht, ist in sehr vielen Unternehmen genauso abgelaufen wie braves Lockdownverhalten. Mehr ist kaum mehr rauszuquetschen.

Also geht es in Organisationen jetzt um Gefolgschaft. Angesichts der allgemeinen Ermüdung und der tatsächlich auf der Zeitachse noch schwer zu konkretisierenden Szenarien ist das allerdings kein leichtes Unterfangen, kann kein angenehmes Versprechen für alle sein. Trotzdem: Handbremse und gleichzeitig Vollgas wird nicht "the motivational speech" sein, die noch lange ankommt. Der Wunsch nach einer Bewegung, einer Richtung, ist so groß geworden und so dringend im rasenden Stillstand. (Karin Bauer, 6.2.2021)