Dave Grohl (Mitte) und seine Foo Fighters.

Foto: RCA Records

Dave Grohl ist im Rockbusiness der Mann, auf den sich alle einigen können. Er ist ein allgemein anerkannter Guter. Es geht dabei allerdings seit Mitte der 1990er-Jahre meist nicht um Musik, sondern um persönliche Sympathiewerte. Das rührt zum einen daher, dass er als ehemaliger Schlagzeuger von Nirvana sozusagen einen Heiligenstatus zu Lebzeiten genießt.

Nirvana, die Musik einer Generation, die den jämmerlichen Junkie-Hardrock von Guns N’Roses überflüssig machte, um dann selbst mit ihrem überhöhten Leidensdruck zum Junkie-Grungerock, aber ohne Gitarrensoli zu verkommen. Der Schwerpunkt liegt in dieser Verehrung eindeutig auf "zu Lebzeiten" im Sinne von "überlebt haben". Merke: Kiffen ist langfristig gesünder, als in immer kürzeren Abständen Heroin zu spritzen.

Zum anderen hat sich Dave Grohl trotz seiner zumindest in einschlägigen Kreisen tätowierter junger Männer in kurzen Hosen ungleich höher verehrten ersten Band, der Hardcore-Punks Scream, seit einem guten Vierteljahrhundert um eines verdient gemacht: Es geht bei den Foo Fighters um nichts weniger als um die Rettung des Stadionrocks.

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In diesem Genre gibt es außer absurd überteuerten Eintrittskarten für die regelmäßigen Veteranentreffen bei AC/DC, Alcoholica, Rammstein und neben der Spur gekrächztem Kuschelrock bei Bon Jovi tatsächlich nur noch wenig zu holen. Wenn man Rammstein abzieht und wirklich nicht beindruckenden Gesang hinzufügt, landet man auch punktgenau beim neuen Album der Foo Fighters.

Wie alle neun bisher veröffentlichten Alben der Band auch baut Medicine At Midnight als zehntes Produkt der stets gutgelaunten, mittlerweile zum Sextett aufgeblasenen Kombo auf ein einfaches Grundprinzip: Der Ball muss ins Tor. In der Feinabstimmung kann das dann schon einmal zwischen elegantem Dribbeln und interessantistischen musikalischen Alleinstellungsmerkmalversuchen in einem restlos durchdeklinierten Genre geraten. Das Ganze kippt am Ende aber immer, immer, immer hinüber in den geheimnislosen Reiz der Banalität. Sobald der Refrain einsetzt, regieren die deutschen Brüder im Geiste, Die Toten Hosen. Wir stürmen auf sie los und schlagen sie einfach zusammen. Macht sie nieder mit Gebrüll!

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Einschlägig bewanderte Kenner langweiliger Funktionsmusiken nennen das dann "hymnische Refrains" oder breitbeinig ausgeführten und testosteronhaltigen "Stadionrock" – und man kann damit als Beschallung sicher gut Fernsehwerbung für deutsche Mittelklasseautos machen. Leider aber gehen dem zugegeben kritisch eingestellten Hörer einmal mehr auch neue Songs wie Making A Fire (Rock!), das angeblich an David Bowies Let’s Dance angelehnte Shame Shame (Rock!!) oder die symphonisch aufgeblasene, gesellschaftskritische Midtempo-Ballade Waiting On A War (Rock!!!) sowie die absurd hardrockende Nummer Cloudspotter (Rock and Roll!!!!) entschieden hinten vorbei.

Die Gitarren krachen tief in den Hallnebel hinein und sind sauber verzerrt. Die Rhythmusgruppe wuchtet jahrzehntelang abgefahrene Sommerreifen aus. Der gequälte Gesang klingt wie stets nach heiterer Weltsicht trotz gegenteiliger Lebenserfahrung als junger Mensch ohne Millionen auf dem Konto. Andererseits klingt Dave Grohls singendes Flehen aber auch noch nach einem Vierteljahrhundert chronischer Hartleibigkeit, die dringend um Erlösung bittet. Interessant vielleicht dabei auch der Aspekt, dass sich Dave Grohl damals nach Nirvana-Konzerten in Österreich als begeisterter frühmorgendlicher Freund heimischer Wurstprodukte mit Garnitur zu erkennen gab: "Gimme a fucking Käsekrainer, man!" Guter Typ. Musik? Wurst. (Christian Schachinger, 5.2.2021)