An Medikamenten gegen Covid-19 wird fieberhaft geforscht. Experten raten dennoch zu mehr Zurückhaltung. Denn klinische Studien müssen die Wirksamkeit erst belegen.

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Forscherinnen und Forscher des Sourasky Medical Center in Tel Aviv, auch bekannt als Ichilov-Krankenhaus, wollen ein wirkungsvolles Medikament im Kampf gegen Covid-19 gefunden haben. Nach der Verabreichung von EXO-CD24 sollen sich bei 29 von 30 Patienten positive Resultate gezeigt haben. Die Mediziner sprechen nun trotz Mangels an wissenschaftlicher Evidenz bereits von einer "95-prozentigen Wirkung", wie israelische Medien berichten.

Das Medikament nutzt sogenannte Exosomen – winzige Bläschen, die Materialien zwischen Zellen durchschleusen – um ein Protein namens CD24 in die Lunge zu bringen, an dem der hauptbeteiligte Forscher Nadir Arber, ein anerkannter Mediziner, seit Jahrzehnten forscht. Das Medikament, das dadurch den gefürchteten Zytokinsturm verhindern soll, befindet sich noch in der klinischen Phase I, ist also noch einigermaßen weit von einer Zulassung entfernt.

Noch wenig Grund zur Euphorie

Erfolgsnachrichten wie diese gehen nicht zum ersten Mal viral. Entsprechend kritisch äußert sich dazu der Pharmakologe Michael Freissmuth von der Med-Uni Wien. Denn: "Bei lediglich 30 beobachteten Patientinnen und Patienten kann man bestenfalls sagen: nette Beobachtung", sagt der Experte. Solange es keine klinischen Studien gebe, keinerlei Einblick in die Datenlage und keine Kontrollgruppen, könne man eine Wirkung in Hinblick auf die unterschiedlichen Verläufe bei Sars-CoV-2 nicht einschätzen.

Freissmuth nennt den Vorstoß der Mediziner deshalb "eine mediale Schnellschussreaktion". Denn das Schwierige bei Covid-19-Verläufen sei, dass man "nach der Verabreichung mancher Medikamente zwar sagen kann, dass es vereinzelt Patientinnen oder Patienten besser geht, es aber keine Kontrollgruppen gibt, die das belegen".

Sein Appell an verantwortungsbewusste Wissenschafter und Mediziner sei es deshalb, solche Erkenntnisse "nicht vorschnell hinauszuposaunen", sondern erst "mit klinischen Daten zu untermauern". Denn die Mehrzahl von Anekdoten mache noch immer keine Evidenz, sagt er. Und Evidenz sei in der Medizin "ziemlich klar geregelt". (Julia Palmai, 5.2.2021)