Wer als Lockdown-Yeti neidisch seine Bürokollegen nach ihrem perfekten Styling fragt, kommt dem Rätsel rasch auf den Grund: Friseure, Fitnesstrainer oder Kosmetiker, die diskrete Heimbesuche anbieten. Ein bisschen umhören im Bekanntenkreis, und man erhält einen Kontakt. Mit anderen Worten, der Pfusch boomt.

Die Zahlen zeigen, dass schwarzgearbeitet wird wie seit 20 Jahren nicht mehr. Der Linzer Ökonom Friedrich Schneider hat errechnet, dass im Vorjahr bei Dienstleistungen im Ausmaß von knapp 27 Milliarden Euro die Rechnung ohne die Finanz gemacht wurde – ein Anstieg von zwölf Prozent gegenüber 2019. Das wird heuer grosso modo so bleiben, erwartet er. Einen Anstieg von lediglich einem weiteren Prozent kann er sich vorstellen. Diese Prognose sei aber – wie momentan alle – risikobehaftet und von der Impfung abhängig.

Wer im Salon nicht gerne Smalltalk führt, kann bei sich daheim zum Beispiel den Fernseher aufdrehen.
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Wie wird Schwarzarbeit überhaupt gemessen? Ökonom Schneider erklärt, dass seine Annahmen auf Schätzungen beruhen. Heruntergebrochen heißt das, er sieht sich an, wie viel Geld Privatpersonen bar ausgeben und wie viele Rechnungen im Vergleich fehlen.

Friseur im Badezimmer

Die Friseurbranche bietet ein naheliegendes Beispiel. Die Salons müssen lockdownbedingt geschlossen haben. Wie man hört, verbuchen Großhändler aber kaum Einbußen bzw. Umsatzrückgänge. Diese liefern nicht nur an die Friseurgeschäfte, sondern auch an Privatadressen. Das zeigt, was hier abseits der geschlossenen Läden los ist. Einzig darüber reden möchte niemand. Anfragen des STANDARD wurden allesamt abgelehnt.

Gesprächiger zeigten sich jene, bei denen der Pfusch länger etabliert ist – die sogenannten Hackler. Ein Dachdecker aus Niederösterreich, ein Maurer aus Oberösterreich und ein Maler aus der Steiermark sind sich einig: Corona hat an ihrer Pfuscherei wenig geändert. "Wer was bauen will, baut", sagt Peter T., der Dachdecker aus Niederösterreich. "Und ohne Pfuscher kann sich niemand mehr leisten, ein Haus zu bauen." Der Übergang von der Arbeit mit Rechnung zum inoffiziellen Teil ist oft fließend. Die Baustelle ist dieselbe, über die Firma werden Materialien bezogen, und gearbeitet wird dann schwarz.

Bei steigender Arbeitslosigkeit und geschlossenen Betrieben ist es logisch, dass die Schattenarbeit zunimmt. Viele Menschen sind auf ein Zusatzeinkommen angewiesen, sei es auch illegal. Offiziell haben sich beim AMS über eine halbe Million Menschen in Österreich als arbeitslos gemeldet.

Im europäischen Vergleich pfuschen die Österreicher verhältnismäßig wenig.

Folgen der Einreisebestimmungen

Die Finanzpolizei stellte bei Kontrollen vermehrt Meldeverstöße fest. Dabei zeigen sich etwa die Folgen der strengen Einreisebestimmungen. "Die Schwarzarbeiter ersetzen oft Dienstnehmer aus östlichen Nachbarländern, die durch die verschärften Grenzkontrollen derzeit kaum einreisen können", heißt es aus dem Finanzministerium. Trotz Lockdowns hat die Behörde im Jahr 2020 um fast ein Drittel mehr kontrolliert als im Jahr davor. Insgesamt überprüfte die Finanzpolizei bei 28.631 Einsätzen insgesamt 70.285 Personen.

Die Schwerpunkte haben sich etwas verlagert. Zwar wird weiterhin viel auf dem Bau und im Transport nachgeschaut, aber Gastronomie und Hotellerie rückten aus dem Rampenlicht. Wegen geschlossener Kasinos und Spielcafés boomt das illegale Glücksspiel im städtischen Bereich – dort wird intensiver geprüft.

Not der Dienstleister

Kontrollen helfen zwar der Finanz, lindern aber nicht die Not der Dienstleister. Das beste Mittel gegen den zunehmen Pfusch sei daher, die Betriebe wieder aufzusperren, fordert die Wirtschaftskammer. Mit den richtigen Sicherheitskonzepten am Arbeitsplatz, regelmäßigen Tests, FFP2-Masken und der Impfung sei das möglich.

Pfusch gilt in Österreich für 60 Prozent der Bevölkerung als Kavaliersdelikt. Eines wirkt sich momentan positiv auf den Ruf aus: Wenn eine ganze Branche nicht arbeiten darf, schädigt niemand steuerzahlende Konkurrenten. Aus epidemiologischer Sicht gibt es Probleme, die wohl dem Image schaden: Erstens sollen Betriebssperren Kontakte reduzieren, um das Virus einzudämmen. Zweitens ist es nach einer Infektion unwahrscheinlich, dass bei der Kontaktnachverfolgung der Besuch des Tarotkartenlesers angegeben wird. (Andreas Danzer, Leopold Stefan, 6.2.2021)