Beim Interview Matteo Renzis wurden nicht sämtlicher Abstandsregeln eingehalten.

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Bisher hat Mario Draghi fast nur Ja-Worte erhalten: vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), von der Europa-Partei von Emma Bonino, von den christlich-demokratischen Gruppierungen, von Matteo Renzis Italia Viva. Die Parteiführer stellen dem designierten italienischen Premier sozusagen einen Blankoscheck aus: "Ich erkläre ja Roberto Baggio auch nicht, wie man einen Freistoß schießt", sagte Ex-Premier Renzi unter Verweis auf den früheren italienischen Stürmerstar. Es war die Antwort auf die Frage, ob er Bedingungen an eine Unterstützung Draghis knüpfe. Renzi brachte damit auch gleichzeitig das große Vertrauen auf den Punkt, das der frühere EZB-Chef bei allen Mitte-links- und Mitte-Parteien hat.

Draghi hat am Mittwoch von Staatspräsident Sergio Mattarella den Auftrag zur Bildung eines neuen Kabinetts erhalten, nachdem die Regierung von Giuseppe Conte von Renzi gestürzt worden war. Der designierte neue Premier führt seither Gespräche mit den Spitzen aller im Parlament vertretenen Parteien.

Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi wollte Freitag eigens aus Südfrankreich anreisen, um Draghi persönlich seine Unterstützung zuzusichern, musste aus gesundheitlichen Gründen dann aber passen. Der 84-jährige Ex-Premier hatte allerdings ohnehin schon früh signalisiert, dass es nun "die besten Kräfte des Landes zu vereinen" gelte.

"Ein guter Eindruck"

Etwas schwer tun sich noch die beiden großen populistischen Parteien, die Fünf-Sterne-Bewegung und die rechtsnationale Lega. Das ist nicht ganz unwesentlich, denn die beiden heute zerstrittenen ehemaligen Koalitionspartner verfügen im Parlament zusammen über eine absolute Mehrheit. Für viele "Grillini" ist der frühere EZB-Chef die Verkörperung des verhassten "Establishments". Salvini wiederum hat bisher die Bildung einer neuen Regierung grundsätzlich abgelehnt und stattdessen auf Neuwahlen gedrängt.

Inzwischen haben sich aber die Positionen der Populisten aufgeweicht. Der gestürzte Premier Conte hat erklärt, dass er eine neue Regierung Draghi "nicht sabotieren" werde. Auch der Gründer und Guru der Protestbewegung, der Exkomiker Beppe Grillo, hat sich – etwas verklausuliert – für den Ex-EZB-Chef ausgesprochen. Und auch Noch-Außenminister Luigi Di Maio ist für einen Dialog. Schon vor zwei Monaten hatte Di Maio nach einem Treffen mit Draghi erklärt, dass der Ex-EZB-Chef auf ihn "einen guten Eindruck" gemacht habe – ein Zitat, das dem 34-jährigen Ex-Sandwich-Verkäufer nun täglich um die Ohren geschlagen wird.

Hohen Ansehen im Norden

Auch bei Salvini sind einige Gewissheiten ins Wanken geraten. Zwar hat er seine persönlichen Meinung bezüglich der Neuwahlen nicht geändert, aber er weiß ganz genau, wie populär Draghi bei der Wählerbasis seiner Lega ist: Das größte Stimmenreservoir der Partei liegt in den produktiven Regionen Norditaliens mit ihren hunderttausenden kleinen und mittleren Betrieben. Dort genießt Draghi ein hohes Ansehen. Ein brüskes Nein zu dem ehemaligen EZB-Chef wäre der Parteibasis nicht vermittelbar.

Wer Draghi bis zuletzt noch einen Korb gegeben hat, ist Berlusconis frühere Ministerin für Jugend und Sport, Giorgia Meloni. Die heutige Chefin der postfaschistischen Fratelli d’Italia will, wie ursprünglich auch Salvini, nichts von einer neuen Regierung wissen und fordert ebenfalls vorgezogene Neuwahlen: Das aktuelle Parlament spiegle längst nicht mehr die wahren Kräfteverhältnisse im Land wider. (Dominik Straub aus Rom, 6.2.2021)