Erstmals an der Staatsoper zu erleben: Der französisch-kanadische Bassbariton Philippe Sly als Figaro.

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Es mutet an wie Opernroulette, bei dem die Kugel der Ungewissheit Regie führt: Musste die Figaro-Wiederaufnahme am Montag wegen Corona-Fällen an der Wiener Staatsoper auf unbestimmte Zeit verschoben werden, tauchte sie am Donnerstag (kurzfristig angekündigt) plötzlich doch auf. Glücklich, wer Zeit und kein Fieber hatte (es gab Kontrolle). Er wohnte einer publikumsfreien ORF-3-Aufzeichnung bei, bei der Dirigent Philippe Jordan Herzhaftes im Sinn hatte.

Als wollte er die hausinterne Anspannung des ständigen Umplanen-Müssens aufgreifen, lud er die Ouvertüre mit historisch informierter Schroffheit auf. Es waren pointierte Artikulation und virtuoser Überschwang dabei. Es vermittelten sich – trotz grober Momente – auch reizvolle instrumentale Nebenpointen. Packend. Mit der Zeit rundete sich alles zu einem Klangbild, das die Bühnenvorgänge nicht nur hellsichtig kommentierte, sondern atmosphärisch auch zart ausleuchtete.

Warten auf Kosky

Das Staatsopernorchester (und der Dirigent bei Rezitativen am Hammerklavier) umgarnte eine reife Präzisionsarbeit: Jean-Pierre Ponnelles Figaro-Inszenierung ist eine Schatztruhe psychischer Regungen und heiterer Pointen, die noch ziemlich gut erhalten wirken. Die Produktion von 1977 ist quasi ein Mozart’scher Zeitvertreib. Kommende Saison nimmt Regisseur Barrie Kosky den Da-Ponte-Zyklus in Angriff.

Die Plausibilität einer Inszenierung lebt natürlich – altersunabhängig – vom darstellerischen Vermögen: Als quirlige Susanna überzeugte Louise Alder wie auch der kultiviert klingende Philippe Sly als Figaro. Vokal etwas blass, jedoch rollengerecht unterwegs Virginie Verrez als Cherubino, wohingegen André Schuen als Graf sehr nobel klang und spielte. Die alles überstrahlende vokale Performance jedoch verdankt man Federica Lombardi als Gräfin. An Klarheit, lyrischer Präsenz und zart dramatischem Aufbegehren fehlte nichts. Weltklasse.

Mit solchen Stimmen wird ein international punktendes Mozart-Ensemble möglich – auch mit Johanna Wallroth als Barbarina natürlich. (Ljubiša Tošic, 5.2.2021)