Foto: European Film Conspiracy

Von einem Kuhdorf spricht man, wenn ein Ort abseits der Metropolen liegt und auch sonst wenig mit dem Weltgeschehen zu tun hat. Man kann es also durchaus ein wenig ironisch sehen, dass Daniel Hoesl und Julia Niemann den Dokumentarfilm Davos mit einer kalbenden Kuh beginnen. Die Gemeinde in Graubünden ist alljährlich Schauplatz des World Economic Forum (WEF).

2019 kamen unter anderem Donald Trump, Angela Merkel, Greta Thunberg und viele Zentralbanker nach Davos. Hoesl hat, gemeinsam mit Julia Niemann (Buch und Co-Regie), eineinhalb Jahre lang vor Ort gedreht und lässt das Schweizer Bergdorf, das zugleich eine kleine Stadt ist, zu einem eigenen Weltmodell werden. Denn hier trifft man vieles, was auf den Zustand der heutigen Welt verweist: junge Männer aus Afghanistan in einem Transitzentrum, einen Fischer-Klub, zu dem sich portugiesische Arbeitsmigranten zusammengeschlossen haben, eine Museumsführerin, die eine Stadtansicht aus dem frühen 20. Jahrhundert so erklärt, dass man das Bild als (abwehrende) Reaktion auf Thomas Mann Roman Der Zauberberg sehen kann.

Das größere Bild

Nach einer guten Stunde beginnt dann das eigentliche Ereignis, auf das Hoesl und Niemann aber gar nicht hinauswollen, sondern das sie einbetten in ein größeres Bild von Natur und Wirtschaft: Beim WEF nimmt der Dokumentarfilm Davos eine Perspektive der Beobachtung auf zweiter Ebene ein, zum Beispiel sehr markant bei einem Interview, das ein Schweizer Journalist mit Klaus Schwab, dem Gründer und Geschäftsführer des WEF, führt und bei dem Hoesl auch einige Stellen aufzeichnet, bei denen Schwab die Antwort verweigert, was im Fernsehen natürlich geschnitten würde.

Greta Thunberg und Donald Trump bekommt man nicht zu sehen, Angela Merkel ist nur einmal hinter einer Tür zu hören. Stattdessen sieht man am Beispiel der Bauernfamilie Ambühl, was Wirtschaften ursprünglich einmal war und wovon sich die beim WEF vertretene Weltwirtschaft denkbar weit entfernt hat. (Bert Rebhandl, 6.2.2021)