Ein Friedhof in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa – sie befindet sich seit 2014 unter Kontrolle der Huthi-Rebellen. Viele Menschen kamen seit 2015 beim saudischen Luftkrieg gegen die Huthis ums Leben, viele sterben an Kriegsfolgen wie Hunger und Krankheit.

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Das Ungemach für Saudi-Arabien hatte sich angekündigt, als Außenminister Antony Blinken in seiner ersten Pressekonferenz vergangene Woche zwar starke Worte für die Verbrechen der Huthi-Rebellen im Jemen fand – aber gleichzeitig dem saudischen Luftkrieg einen Teil der Verantwortung für die humanitäre Katastrophe in dem ärmsten Land der arabischen Welt zuteilte. Nun hat US-Präsident Joe Biden den Saudis jegliche militärische Unterstützung für ihren Einsatz im Jemen entzogen. Eines der Rüstungsgeschäfte Donald Trumps, Präzisionsbomben im Wert von fast 500 Millionen US-Dollar, ist bereits auf Eis gelegt – Munition, die gegen die Huthis zum Einsatz kommen sollte.

Gleichzeitig betonte Biden jedoch, dass die USA alles aufrechterhalten würden, um die Verteidigungskapazitäten Saudi-Arabiens weiter zu stärken, und das betrifft natürlich auch Rüstungslieferungen. Die Huthis haben nicht nur bereits vor der saudischen Intervention, die 2015 begann, häufig die jemenitisch-saudische Grenze verletzt, seit 2016 greifen sie saudisches Territorium mit Raketen an, die seit 2017 auch die saudische Hauptstadt Riad erreichen. Sie haben auch die Verantwortung für einen massiven Angriff auf Ölanlagen der Aramco im September 2019 übernommen.

"Wir werden Saudi-Arabien weiter dabei unterstützten, seine Souveränität, seine territoriale Integrität und seine Bevölkerung zu schützen", sagte Biden. Aber: "Dieser Krieg muss aufhören." Er ernannte einen eigenen Jemen-Beauftragten, den Karrierediplomaten Timothy Lenderking, der auf viel Erfahrung in der Region verweisen kann.

Humanitäre Katastrophe

Der humanitäre Aspekt steht bei dieser Entscheidung im Vordergrund: Seit Kriegsbeginn sind etwa 250.000 Menschen am Krieg und an Kriegsfolgen wie Unterernährung und Krankheiten gestorben. Als Saudi-Arabien 2015 seine Koalition formierte – mit den Vereinigten Arabischen Emiraten als wichtigstem Partner –, rechnete es mit einem raschen Sieg. Nach fünfeinhalb Jahren sitzen die Huthis fest in ihren Gebieten, und an den Fronten ändert sich kaum etwas, manchmal auch etwas zugunsten der Rebellen. Die USA sehen den Krieg als gescheitert an. Es gibt seit Jahren einen von der Uno geführten Friedensprozess, der punktuelle Erfolge verbuchen kann, aber einer politischen Lösung für den Jemen nicht nähergekommen ist.

Der Schnitt der Biden-Regierung mit der bisherigen amerikanischen Jemen-Kriegspolitik ist scharf – und gleichzeitig ein Balanceakt, gilt es doch, dem Iran, der die Huthis unterstützt, keine falschen Signale zu senden. Aber die Meinung, dass die USA nicht mehr mit dem Bombenkrieg im Jemen assoziiert werden sollten, der durch Angriffe auf zivile Ziele viele Todesopfer fordert, wurde in den vergangenen Jahren im US-Kongress immer stärker vertreten, teilweise auch unter den Republikanern.

Allerdings ging es bei der Kritik nicht nur um den saudischen Einsatz im Jemen, sondern auch um die Menschenrechtsbilanz unter dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman und speziell um die Ermordung des bei der "Washington Post" tätigen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018. Am Freitag forderte das Weiße Haus Saudi-Arabien auf, politische Gefangene freizulassen.

Technische und logistische Unterstützung

Die Saudis führen den Krieg mit US-Kampfjets und US-Munition – aber die Unterstützung der USA war auch technischer, logistischer und nachrichtendienstlicher Natur. Bis 2018 gehörte auch das Betanken von Kampfjets dazu, für das jedoch den Saudis und den Emiratis unter Trump eine saftige Rechnung gestellt wurde. Trump hatte nie prinzipiell die Unterstützung seiner Partner hinterfragt, sich jedoch gegen die für die USA entstehenden Kosten gewehrt.

Die Entscheidung, den saudisch-geführten Einsatz einer Anti-Huthi-Koalition zu unterstützen, fiel in der Präsidentschaft von Barack Obama, mit Vizepräsident Biden an seiner Seite. Was heute heftig kritisiert wird, stellte sich im Kontext von 2015 anders dar. Die Huthi-Rebellen, ursprünglich eine auf den Norden des Jemen beschränkte Gruppe, hatten in der chaotischen Transitionszeit nach dem Abgang von Langzeitpräsident Ali Abdullah Saleh (Februar 2012) in der schiitisch-zaiditischen Bevölkerung Unterstützung gefunden. Im Herbst 2014 gelang es ihnen, die jemenitische Hauptstadt Sanaa unter Kontrolle zu bringen. Sie marschierten weiter in den Süden, im März 2015 musste die aus Sanaa geflohene international anerkannte Regierung von Abd Rabbo Mansur Hadi auch noch die südliche Hafenstadt Aden aufgeben. Die Huthis, die Riad stets als von Teheran gesteuert ansahen, drohten, Bab al-Mandab – die Meeresstraße zwischen dem Roten Meer und dem Golf von Aden – zu kontrollieren: für Saudi-Arabien quasi eine jemenitische Hisbollah nach dem Muster der libanesischen und damit eine iranische Präsenz.

Hintergrund Iran-Deal

Der jetzige Kronprinz Mohammed bin Salman war damals seit zwei Monaten, seit dem Amtsantritt seines Vaters, König Salman, Verteidigungsminister: Die Entscheidung, in den Jemen-Krieg einzugreifen, traf er wohl nicht alleine. Ein Grund, warum Obama Saudi-Arabien seine Unterstützung zusagte, war das Atomabkommen mit dem Iran, das sich im Frühjahr 2015 in der Endphase der Verhandlungen befand. Obama wollte den Saudis, US-Verbündeten seit Jahrzehnten, die seine Iran-Politik kritisch sahen, beweisen, dass er trotz der Gespräche mit Teheran keine Abstriche bei der saudischen regionalen Sicherheit machte.

Als sich schon unter Obama die saudischen Angriffe auf zivile Ziele – Moscheen, Begräbnisse o. Ä. – häuften, verstärkten die USA die Ausbildung der saudischen Sicherheitskräfte, um Kollateralschäden zu minimieren. Als dies nichts half, schränkte Obama gegen Ende seiner Amtszeit den Verkauf von Munition ein. Trump hatte da keine Skrupel.

Eigene Schiitengruppe

Die Huthis sind eine radikale islamistische Organisation, die "Tod den Juden" in ihrem Banner führt. Ihr Aufstand gegen Sanaa begann 2004. Religiös haben sie mit den iranischen Schiiten, denen sie nun pauschal zugerechnet werden, wenig zu tun, sie gehören einer völlig anderen Gruppe an, den Zaiditen oder Fünferschiiten, die den Nordjemen bis 1962 regierten und für die Saudi-Arabien intervenierte, als sie von den Republikanern – damals von Ägypten unterstützt – gestürzt wurden.

Trump ließ die Huthis vor seinem Amtsende noch rasch auf die Terrorliste setzen, die Entscheidung trat am 19. Jänner in Kraft. Auch sie soll nun rückgängig gemacht werden, wurde Freitagabend bekannt. Das wird – als vielleicht falsches Signal – nicht ohne Kritik bleiben, auch wenn die Huthis zwar eine Verbrecherbande, aber tatsächlich keine international tätige Terrororganisation ist, was normalerweise Voraussetzung für eine Terrordesignierung ist. Als eine der ersten Maßnahmen hatte Biden einige Sanktionen aussetzen lassen, die die Terrorlistung begleitet hätten. Es stand zu fürchten, dass sonst die humanitäre Hilfe zusammenbricht, damit wird auch die geplante Aussetzung begründet. In den Huthi-Gebieten leben etwa drei Viertel der jemenitischen Bevölkerung. Allerdings tragen Korruption und Bereicherung von neuen Huthi-Geschäftseliten stark zum Elend der Menschen bei. (Gudrun Harrer, 6.2.2021)