Der ehemalige ORF-Chef Teddy Podgorski meinte 2015 in einem Interview im STANDARD, im ORF manifestiere sich die Macht der Politik. Er sei abhängig von den Politikern und gehöre faktisch der Republik. Ist das wirklich so oder hat das mit Abstand finanzstärkste Medium in Österreich bereits ein Eigenleben entwickelt?

Faktum ist, dass der ORF nun im Jahr 2021 mit regionaler, nationaler und internationaler Konkurrenz konfrontiert ist. Private Sender, sowie die Möglichkeiten der sozialen Medien wie YouTube und Co, wo jeder sein eigener Generaldirektor sein kann, ringen dem einstigen Platzhirsch zunehmend Reichweite und Quote in Vergleich zu den goldenen Zeiten, in der es nur ORF 1 und 2 gab, ab. Ganz stark manifestiert sich diese Tatsache in der Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die teilweise gar nicht mehr über ein klassisches Empfangsgerät wie einen Fernseher verfügen, sondern ihre Information per Handy oder Tablet selektieren.

Jene Generation mutiert im Mediengebrauchsverhalten selbst zum Medienproduzenten oder Influencer, wie es im Neusprech so schön heißt. Die Welt ist ihr medialer Marktplatz. Gut konnte man dieses Phänomen indirekt im Format "A-Team" des ORFs sehen, welches nach kurzer Zeit aufgrund geringer Quote wieder abgesetzt wurde, weil es nicht die nötige Resonanz erzielen konnte. Eine sehr bemühte Sendung, die jedoch in der Wahl der jungen Seher gegenüber Angeboten auf YouTube, Instagram und vielen anderen neuen Medien chancenlos war. Der ORF wird in Zukunft an seinem USP und seiner Denkweise in Bezug auf junge Medienkonsumenten stärker arbeiten müssen und nicht nach Schema F Produktionen aus dem Boden stampfen.

Alexander Wrabetz will heuer als Generaldirektor wiedergewählt werden.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

ORF wie wir?

Mit der Kampagne "ORF WIE WIR" warb jener vor geraumer Zeit überunterschwellig für seine Verankerung in allen Gesellschaftsschichten. So sieht das Selbst- und Wunschbild aus. Doch wie ist es um das Fremdbild bestellt? Zweifelsfrei genießt der einflussreichste Medienkonzern immer noch eine hohe Glaubwürdigkeit in vielen Teilen der Bevölkerung. Jedoch, und dies wird durch die wachsende Zahl an "Alternativen Medien" belegt, wird ebenso die Zielgruppe derer, die sich durch den ORF nicht repräsentiert fühlt, immer größer.

Dieser Prozess ist gleichsam bei unseren deutschen Nachbarn in Bezug auf ARD und ZDF gut zu sehen, denen zunehmend ein rauerer Wind durch die Bevölkerung entgegenbläst. Sich hierbei nur auf AfD- oder FPÖ-Wähler auszureden ist zu einfach. Die intendierte Gebührenerhöhung in ökonomisch für alle Bürger harten Zeiten trägt da nicht unbedingt zur Beliebtheit der Medienanstalt bei. Zudem stellt sich die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit. Wie sollen andere Medienhäuser, die ebenfalls qualitativ hochwertige Arbeit leisten und nun in der Corona-Zeit massivste Umsatzeinbrüche zu verzeichnen haben, die Krise überleben? Wäre es nicht fair ein Stück des mächtigen Budgets des ORF auf bedürftige Qualitätsmedien aufzuteilen und gleichzeitig den erwähnten ökologisch nachhaltig zu redimensionieren?

Generationenwechsel

Eines steht fest: kaum jemand will etwas, was nahezu ein Teil des österreichischen Weltkulturerbes ist, privatisieren. Der ORF muss aber zukunftsfit gemacht werden, will er die Herausforderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte meistern. Persönlichkeiten wie der Schwammerlliebhaber Hugo Portisch, der Ex-Generalintendant Teddy Podgorski oder der legendäre ORF-Big-Boss "Tiger" Gerd Bacher sind leider eher in den Geschichtsbüchern als in den Managementetagen zu finden. Im Herbst wird sich weisen, ob der flexibel-adaptive Alexander Wrabetz eine weitere Periode das Geschick von Österreichs größtem Medientanker leiten wird. Oder ist es gar auf stürmischer See wieder der richtige Zeitpunkt für einen Generationenwechsel mit einer Frau an der Spitze? Kernanforderungsprofil für den Chef oder die Chefin der Zukunft ist eine hohe und differenzierte Aufnahmebereitschaft für Signale der Umgebung. Fähige Kandidatinnen gäbe es mehr als genug in der Medienlandschaft. (Daniel Witzeling, 15.2.2021)

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