Anna Netrebko singt derzeit online für die New Yorker Met. Hier ist sie bei einem Konzert in Metz im Vorjahr zu sehen.

APA / C. De Barry

Wien / New York – Selbst der Opernstar von Welt hat es in der Corona-Krise nicht leicht. Der eiserne Vorhang, er bleibt an den meisten Häusern für längere Zeit unten. Die Metropolitan Opera etwa hat laut New York Times im April letzten Jahres rund tausend Angestellte ohne Bezahlung freigestellt; die Wiedereröffnung des New Yorker Opernhauses ist frühestens für September 2021 geplant. Im Stream kann die Weltöffentlichkeit immerhin die "Met Stars Live in Concert" erleben, gegen ein Entgelt von 20 Dollar. Berühmte Goldkehlchen singen an spektakulären Locations, ein Klavier ersetzt das Orchester, statt Arien wird Lied gesungen.

Netrebko – sie hat an der Met seit 2002 fast 200 Auftritte absolviert – tat dies am Samstagabend in der Winterreitschule. Wo sonst die Lipizzaner ihre Sprünge und Piaffen vorführen, wurde nun die hohe Schule der Tondressur demonstriert. Auf einem Torbogen, der in der Mitte des Reithallenpalasts aufgebaut war, widmete sich die Wahlösterreicherin vorrangig der russischen Romantik. Das Programm war in eine Tages- und eine Nachthälfte unterteilt, wie ihre schwarz-weiße Robe.

Rolls-Royce-Sopran

Netrebko sang Lieder von Tschaikowsky, Rimski-Korsakow und Rachmaninow; während der 90 Minuten war es bald, als ob sie ein einziges langes Lied sänge. Liebe und Leid mischten sich auf schön schmerzende Weise, ihr Sopran glich einem Rolls-Royce, der auf prachtvolle und stets beherrschte Weise durch geschmackvoll komponierte Gefühlslandschaften glitt.

Drei Stippvisiten in deutschen Landen (Morgen, Die Nacht und Ständchen von Richard Strauss) wurden ebenso unternommen, da fremdelte die 49-Jährige nur leicht. Pianist Pavel Nebolsin chauffierte den Star umsichtig, Mezzosopranistin Elena Maximova durfte zweimal kurzfristig an der musikalischen Reise teilnehmen. Zuletzt ging’s mit der Barcarole aus Offenbachs Les Contes d’Hoffmann Richtung Frankreich. À bientôt, Anna! (Stefan Ender, 7.2.2021)