Manche Anleger planten bewusst die Kursrallye der Gamestop-Aktie, um Hedgefonds zu schädigen. Andere sprangen nur auf die steigenden Kurse auf. Foto: AFP / Michael M. Santiago

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Mehr als zwei Millionen Kleinanleger haben sich in den vergangenen Wochen im Social-News-Portal Reddit zum Kauf von Aktien verabredet, bei denen Hedgefonds auf fallende Kurse gesetzt hatten. Damit wurden die Kurse der betreffenden Unternehmen zum Schaden der Hedgefonds massiv in die Höhe getrieben.

Weltweit findet das "Duell David gegen Goliath", der (Klein-)Anleger gegen die Hedgefonds – das seinen Ausgang bei der Aktie der Handelskette Gamestop nahm –, viel Beachtung, wobei die rechtliche Zulässigkeit dieser Vorgehensweise in den USA umstritten ist.

Dabei stellt sich auch die Frage, wie das Vorgehen nach der österreichischen Rechtslage zu beurteilen wäre. Hierfür sind vor allem die Bestimmungen des Börsengesetzes und der EU-Marktmissbrauchsverordnung relevant; diese haben das Ziel, die Integrität des Marktes und die Anleger zu schützen.

Strafbare Verhaltensweisen

Hierzu werden bestimmte Verhaltensweisen am Markt unter Strafe gestellt, darunter die Marktmanipulation. Diese kann in verschiedensten Formen auftreten, wobei im konkreten Fall vor allem folgende Konstellationen in Betracht kommen:

  • Informationsgestützte Marktmanipulation
    Diese erfolgt durch die Verbreitung falscher oder irreführender Informationen zu einem Finanzinstrument, die zu einem künstlichen Kursniveau führen können. Gerade Social Media sind besonders geeignet, um solche Informationen rasch und unkontrolliert zu verbreiten. Allerdings haben die Reddit-User – soweit bekannt – lediglich angekündigt, Gamestop-Aktien aus den bekannten Gründen zu kaufen. Sofern diese ihre Ankündigungen umgesetzt haben, haben sie keine falschen oder irreführenden Informationen verbreitet. Die öffentliche Ankündigung des Erwerbs von Finanzinstrumenten durch die Reddit-User ist somit grundsätzlich nicht rechtswidrig. So geben etwa auch institutionelle Anleger in ihren Prospekten bekannt, welche Finanzinstrumente sie erwerben wollen. Sollten sich jedoch zahlreiche Anleger zur Verbreitung von falschen Ankündigungen zusammenschließen, liegt die Annahme einer informationsgestützten Marktmanipulation nahe.
  • Marktmanipulation durch gezielte Verknappung des Angebots
    Wenngleich die Hedgefonds aufgrund des Vorgehens der Reddit-User gezwungen waren, die Aktien zu einem erhöhten Kurs zu kaufen, setzt dieser Tatbestand auch voraus, dass sich die handelnden Personen durch ihre Absprache eine marktbeherrschende Stellung sichern. Eine solche Absprache liegt angesichts des rein faktischen Zusammenwirkens von Menschen, die in einem öffentlichen Forum kommunizieren, dieses nur lesen, davon aus den Medien erfahren haben oder bloß auf die steigenden Kurse aufspringen, wohl nicht vor. Zudem ist bisher ungeklärt, wann von einer marktbeherrschenden Stellung gesprochen werden kann.
  • Handelsgestützte Marktmanipulation
    Der Abschluss eines Geschäfts sowie vergleichbare Handlungen sind nach dieser Fallgruppe rechtswidrig, wenn damit falsche oder irreführende Signale zu einer Aktie ausgesendet werden oder ein künstliches Kursniveau erzeugt werden kann.

Die koordinierten Käufe der Gamestop-Aktien haben ein künstliches Kursniveau erzeugt, denn die wirtschaftlichen Kennzahlen des Unternehmens konnten den Kurs der letzten Wochen nicht rechtfertigen. Der Abschluss von Geschäften oder das Ausführen komplexer Handelsstrategien ist aber grundsätzlich ein erlaubtes Verhalten.

In der Praxis gestaltet sich die Beurteilung, ob eine legale Marktaktivität oder eine Marktmanipulation vorliegt, allein auf Basis des erfolgten Aktienkaufs schwierig. Daher wird zur Abgrenzung zwischen legitimem Marktverhalten und Marktmanipulation auf den Sinn des Verbots der Marktmanipulation und die Motivation hinter dem Verhalten abgestellt.

Verschiedene Akteure

Im Fall der Gamestop-Aktie ist bei der Beurteilung daher zwischen den verschiedenen Akteuren zu unterscheiden:

Jene Reddit-User, die sich zum Kauf der Aktie verabredet haben, hatten das Ziel, einen höheren Kurs zu schaffen, um die Shortseller zu schädigen. Tatsächlich haben diese Käufe plangemäß ein künstlich hohes Kursniveau erzeugt. Somit wurde der Markt verzerrt, sodass eine Marktmanipulation angenommen werden kann.

Anders stellt sich die Situation aber für jene Aktienkäufer dar, die passiv im Reddit-Forum mitgelesen haben oder bloß auf die steigenden Kurse aufgesprungen sind; falls diese mit dem Geschäft bloß Gewinne erzielen und nicht mit ihren Käufen den Kurs erhöhen wollten, kann argumentiert werden, dass diese Käufe keinen täuschenden Charakter haben.

Im Ergebnis würde das abgestimmte Vorgehen der Reddit-User nach österreichischem Recht wohl eine rechtswidrige Marktmanipulation darstellen. Dies ist letztlich jedoch immer bezogen auf den einzelnen Anleger und unter Berücksichtigung der konkreten Motive zu beurteilen. Ausgeschlossen ist wohl die Strafbarkeit bloßer Trittbrettfahrer, die von den steigenden Kursen profitieren wollten, sich an den Absprachen jedoch nicht beteiligt haben (Stefan Adametz, Michael Fink, 8.2.2021)