Fast beschaulich präsentiert sich das Zentrum von Cortina d’Ampezzo in diesem Winter.

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OK-Chef Alessandro Benetton (2. v.l.) mit Eventmanagerin Erica Zuliani und Corty, dem Maskottchen.

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Der Süden hat heuer allerhand abgekriegt, und es soll noch mehr kommen. Meterhoch aufgetürmte Schneeberge säumen die Wege und Straßen des charmanten Orts, der sich angenehm ruhig präsentiert. Viele Hotels in Cortina d’Ampezzo sind geschlossen. Immerhin dürfen Geschäfte, Bars und Restaurants wegen gelockerter Auflagen wieder öffnen. Nachdem die Skipisten aber voraussichtlich noch bis 15. Februar gesperrt sind, ist die Saison auch im Gebiet Dolomiti Superski eher zum Vergessen.

Der Schauplatz der 46. Alpinen Ski-WM, ist ein mondänes Wintersportzentrum im Norden Italiens, zu dessen Popularität vor allem die Olympischen Spiele 1956 beitrugen. Damals räumte Toni Sailer ab. Der Kitzbüheler gewann mit Abfahrt, Slalom und Riesenslalom sämtliche alpine Herrenentscheidungen der Spiele, die WM-Titel gab es als Draufgabe, die errechnete Kombination zählte nur als Weltmeisterschaft. Die Spiele waren während des Kalten Kriegs die ersten mit Beteiligung der Sowjetunion.

Bond, James Bond

Seit Olympia steht der Ort für Dolce Vita und Glamour, er diente zahlreichen Hollywoodstreifen als Kulisse. So wurden hier etwa Der rosarote Panther (1963) mit Peter Sellers, Colonel von Ryans Express (1965) mit Frank Sinatra oder Die Rivalin (1973) mit Liz Taylor und Henry Fonda gedreht. 1980 beehrte Roger Moore als James Bond in In tödlicher Mission und 1993 Sylvester Stallone in Cliffhanger den Ort im Ampezzo-Tal. Auch Stars wie Sophia Loren, Brigitte Bardot, Ingrid Bergman oder Clark Gable gaben sich für Werbeaufnahmen oder Urlaube ein Stelldichein.

Toni Sailer 1956 im olympischen Slalom von Cortina d'Ampezzo.
Theo Groll
Bond in Cortina! Making of.
Trond B

An Reiz hat die "Perle der Dolomiten" bis heute nichts eingebüßt. Sie ist eingebettet zwischen dem imposanten Monte Cristallo und dem markanten Dreigestirn der Tofana, auf dessen gleichnamiger Piste die Damen seit 1993 regelmäßig Speed-Events bestreiten. Herrenweltcuprennen gab es in Cortina seit 1990 nicht mehr. Damals feierte der nunmehrige WM-Botschafter Kristian Ghedina seinen ersten Weltcupsieg, am folgenden Tag Helmut Höflehner seinen letzten.

Die fehlende Selbstverständlichkeit

Cortina war bereits 1932 Austragungsort von Weltmeisterschaften, jene von 1941 wurde nach dem Zweiten Weltkrieg annulliert, schließlich hatten im faschistischen Italien nur zehn Teams teilgenommen.

Auch aktuell ist vieles nicht selbstverständlich, erst recht nicht die Durchführung eines Großevents. Über Nacht können Umstände eintreten, die eine plangemäße Abwicklung erheblich erschweren oder gar verunmöglichen. Nachdem aber der Weltcup als Vorspiel des Saisonhöhepunkts relativ friktionsfrei vonstattenging, hoffen auch die Veranstalter der WM auf gutes Gelingen.

Auf Cortina mit seinen rund 5900 Einwohnern kommt eine enorme Herausforderung zu, zumal das gemeine Virus in Sachen Übertragung nichts mehr schätzt als Versammlungen von Menschen. Zwischen 8. und 21. Februar werden rund 2800 Gäste erwartet, darunter rund 600 Athleten aus 70 Nationen und 220 Journalisten. Mit einem strikten Testprozedere im Vorfeld und während der WM, mit dem mittlerweile etablierten Vier-Bubble-System und strengem Sicherheitsprotokoll (Maske, Abstand, Temperaturmessungen, Antigentests alle drei Tage, Zutritts- und Bewegungskontrollen) will man eine Clusterbildung verhindern, die der Veranstaltung den Garaus machen könnte.

Bedingte Gastlichkeit

Andrea Apollonio rät allen Beteiligten, Aufenthalte im Ort auf ein Minimum zu beschränken. "Wir wollen nicht ungastlich wirken, müssen aber Ansammlungen in der kleinen Ortschaft unbedingt vermeiden", sagt der zuständige Anti-Covid-Manager. Auf Tifosi muss aus Vorsichtsmaßnahmen freilich komplett verzichtet werden, was Ghedina besonders bedauert: "Eine Ski-WM ohne Zuschauer ist wie eine Torte ohne Schlagobers", sagte der in Cortina geborene Sieger von 13 Weltcuprennen, der 2004 das Publikum in Kitzbühel mit einer Grätsche beim Zielsprung begeisterte.

Eine WM ohne Zuschauer vor Ort als ausschließlich mediales Ereignis ist für Apollonio "das Beste, was wir unter diesen Umständen anbieten können". Diese Ansicht teilt auch Sportminister Vincenzo Spadafora. "Auch ohne Zuschauer wird die Ski-WM ein großartiger Event sein, der größte im Skisport seit Ausbruch der Pandemie. Die Augen aller Skifans werden auf Cortina, auf die Dolomiten, auf Italien gerichtet sein." Giovanni Malagò, Chef von Italiens Olympischen Komitees (CONI), lobte die "enorme Arbeit" der Organisatoren: "Im totalen Desaster dieser Pandemie ist Italien in der Lage, eine außerordentliche Ski-WM zu organisieren."

In der Provinz Belluno – zu ihr gehört Cortina – ist die Ansteckungsrate nach einem Höhepunkt im November nun auf ein relativ moderates Maß gesunken, sie liegt im Bereich jener von Österreich. Von Virusmutationen ist der Norden Italiens bislang weitgehend verschont geblieben, wenngleich sie in geringer Zahl schon in der Region (Venetien) nachgewiesen wurde.

Die WM steigt 16 Jahre nach jener in Bormio just in dem Land, in dem die Pandemie in Europa ihren Ausgang genommen hat. Vielleicht kann sie als kleines Trostpflaster für die schwer in Mitleidenschaft gezogene Nation dienen. Ist es für die Veranstalter gleichzeitig der Probegalopp für die Olympischen Winterspiele 2026 in Mailand/Cortina, so geht es für den Weltcupzirkus und die Verbände ums Überleben. TV-und Marketingeinnahmen spülen dringend benötigte Mittel in die Kassen. In Cortina wurden mit staatlicher Unterstützung insgesamt 95 Millionen Euro in die Verbesserung und die Modernisierung der Infrastruktur investiert.

OK-Präsident und Textilunternehmer Alessandro Benetton, der mit der italienischen Skilegende Deborah Compagnoni verheiratet ist, überraschte mit der Aussage: "Es besteht die Chance, dass wir ohne Verlust aussteigen." (Thomas Hirner, 7.2.2021)