Das Auf-zu-Spiel geht nun also in die nächste Runde. Es wird wieder ein bisschen geöffnet. Wobei – ob man auch in Tirol ab Montag wieder zum Friseur oder ins Modegeschäft darf, war bis Sonntagabend noch unklar. Im Gesundheitsministerium fürchtet man offenbar die Ausbreitung der in dem westlichen Bundesland gehäuft auftretenden südafrikanische Variante von Sars-CoV-2. Von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) über die Wirtschaftskammer bis zu Tourismusvertretern herrscht helle Empörung, dass strengere Regeln für Tirol überhaupt angedacht werden.

Wobei die grundsätzliche Frage, ob das Infektionsgeschehen eine Öffnung von Handel und Dienstleistungen überhaupt sinnvoll erscheinen lässt, in den Hintergrund gerückt ist. Was von der Regierung wohl auch gewollt ist, wenn man die Sieben-Tage-Inzidenz als Beispiel nimmt. Dieser Wert drückt aus, bei wie vielen von jeweils 100.000 Einwohnern in den vergangenen sieben Tagen ein Corona-Test ein positives Ergebnis brachte.

Das ständige Auf-zu-Spiel, das nicht auf konkreten Zahlen zu beruhen scheint, hat der Regierung ein Glaubwürdigkeitsproblem beschert.
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Natürlich sind solche Grenzwerte bis zu einem gewissen Grad willkürlich. Aber interessant ist es schon, mit welcher Nonchalance die Regierung sich selbst widerspricht, wenn von dieser Kennziffer die Rede ist. Am 21. Jänner war sich Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in der ZiB 2 noch recht sicher: Für Lockerungen müsse sich die Sieben-Tage-Inzidenz noch stark Richtung 50 bewegen. Nun ist eine Richtung schwer zu beurteilen, wenn der Wert seit Tagen irgendwo zwischen 100 und 110 changiert.

Vorschnelle Öffnung?

Am Samstag interessierte sich Anschober im Interview mit dem Sender ATV dann weniger für einen Zielwert für Lockerungen, sondern einen für einen möglichen neuen Lockdown: Ab einer Inzidenz von 200 müsse es eine Krisensitzung samt Gesamtbewertung geben. Wie jetzt? Wochenlang wird der Bevölkerung erklärt, ein Wert möglichst nah an 50 sei erstrebenswert, und wenn dieser nicht erreicht wird, spielt er plötzlich keine Rolle mehr? Da darf man sich nicht wundern, wenn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine vorschnelle Öffnung in Österreich befürchtet.

Gut ins Bild passt dann, wenn Bildungsminister Heinz Faßmann in der Pressestunde die Sieben-Tage-Inzidenz überhaupt de facto für obsolet erklärt – zumindest für die Schulen. Ein Wert von 286,4 im Salzburger Bezirk Tamsweg oder 293,4 im Tiroler Bezirk Lienz am Sonntagmorgen? Für Fassmann kein Grund, automatisch die Schulöffnung abzublasen. Das sollen bitte die zuständigen Behörden vor Ort klären, spielt der Minister den Ball weit von sich.

Genau dieses Lavieren ist es aber, das der Regierung ein Glaubwürdigkeitsproblem bringt und bei der Bevölkerung ein "Eh ois wurscht"-Gefühl entstehen lässt. Wenn dann, wie in Tirol, der Verdacht aufkommt, dass es die Verwaltung mit transparenter Kommunikation über die Verbreitung einer Virusmutation vielleicht nicht ganz so ernst nimmt, ergibt das eine verheerende Mischung.

Entweder man setzt den Gesundheitsschutz über alles andere: Dann müssten, wie in Deutschland, allein die Zahlen ausschlaggebend sein und am Montag alles zu bleiben. Oder man fürchtet den ökonomischen Kahlschlag mehr, dann soll man das bitte auch klar sagen. Aber bei ständigen Kurswechseln darf man sich nicht wundern, wenn das Auf-zu-Spiel als beliebig daherkommt. (Michael Möseneder, 7.2.2021)