Auf den Straßen der Hauptstadt Port-au-Prince kam es erneut zu Protesten gegen den Präsidenten.

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Port-au-Prince – In Haiti ist nach Angaben der Regierung ein Staatsstreich vereitelt worden. Präsident Jovenel Moïse sagte am Sonntag, ein Mordanschlag auf ihn sei verhindert worden. Nach Angaben der Behörden wurden 23 Verdächtige festgenommen, unter ihnen ein Richter und eine Generalinspekteurin der Polizei.

Moïse dankte dem für die Sicherheit im Präsidentenpalast zuständigen Beamten. "Der Traum dieser Leute war es, einen Anschlag auf mein Leben zu verüben. Gott sei Dank ist das nicht passiert", erklärte er, das Komplott sei gescheitert. "Ich bin kein Diktator", fügte er hinzu.

Waffen gefunden

Oppositionsparteien stellten die Lage in der Nacht auf Montag aber vollkommen anders dar: Nach ihren Angaben will Moïse seine Amtszeit illegal verlängern. Sie ernannten ihrerseits einen Richter als neuen Übergangspräsidenten.

In dem bitterarmen Karibikstaat tobt ein Streit über die Dauer von Moïses Amtszeit. Die Opposition ist der Ansicht, dass sein fünfjähriges Mandat an diesem Sonntag geendet hat. Moïse hingegen argumentiert, dass er bis zum 7. Februar 2022 gewählt sei.

Laut Regierungschef Joseph Jouthe sollen die Verschwörer die Einsetzung einer Übergangsregierung geplant haben. Sie hätten sich dazu mit Polizisten im Präsidentenpalast in Verbindung gesetzt. Bei den Verdächtigen wurden laut Polizeidirektor Léon Charles Sturmgewehre, Pistolen und Macheten gefunden. Unter beschlagnahmten Dokumenten sei auch ein vorbereiteter Redetext des Richters gewesen, der an die Spitze der Übergangsregierung habe treten wollen.

Übergangspräsident ernannt

In der Hauptstadt Port-au-Prince kam es am Sonntag zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten, die Moïses Rücktritt forderten, und der Polizei.

Die Vertreter der Opposition benannten in der Nacht auf Montag den 72-jährigen Juristen Joseph Mécène Jean-Louis als "vorläufigen Übergangspräsidenten". Jean-Louis erklärte in einer Video-Nachricht, die der Nachrichtenagentur AFP zuging, dass er diese Wahl annehme. Aus Sicht der Opposition und zahlreicher Organisationen der Zivilgesellschaft ist die Amtszeit Moïses abgelaufen.

Nach Angaben des früheren Senators Youri Latortue sollte die Übergangszeit 24 Monate betragen. In dieser Phase solle eine neue Verfassung verabschiedet werden, sagte Latortue. Außerdem müssten Neuwahlen abgehalten werden. Seit Jänner 2020 gibt es in Haiti kein funktionierendes Parlament mehr, Moïse regiert mit Dekreten. Geplagt von Armut und Alltagskriminalität hat die Bevölkerung ihr Vertrauen in den Präsidenten weitgehend verloren.

Moïse war im Oktober 2015 zum Staatschef gewählt worden. Die Abstimmung wurde aber nach massiven Protesten der Opposition und dem Bericht einer Prüfkommission über Unregelmäßigkeiten annulliert. Bei der Wahl ein Jahr später setzte er sich erneut durch. Im Februar 2017 wurde er dann vereidigt. Die für 2018 geplante Parlaments- und Kommunalwahlen haben bis heute nicht stattgefunden. Die USA riefen die Regierung am Freitag dazu auf, eine freie und faire Parlamentswahl zu organisieren. (APA, 8.2.2021)