Dass der Bundeskanzler in die Verhandlungen zwischen Tirol und dem Gesundheitsministerium eingebunden war, ist anzunehmen. Aber wie?

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Der Sonntag verging mit Warten. Warten auf die angekündigte Einigung zwischen dem Gesundheitsministerium und dem Land Tirol, wie man jetzt angesichts der gefährlichen südafrikanischen Virusvariante weitermacht. Und mit dem Genuss der Aussagen eines völlig uneinsichtigen, auftrumpfenden, selbstmitleidigen, faktenignorierenden Vertreters der Tiroler Wirtschaft. Fazit: Tirol denkt nicht daran, aus dem Auftreten des Südafrika-Virus ernsthafte Konsequenzen zu ziehen. Um Mitternacht hieß es, die Verhandlungen zwischen dem Gesundheitsminister und dem Tiroler Landeshauptmann seien ergebnislos "vertagt". Am späten Vormittag gab Tirol dann seine eigenen, relativ schwachen Maßnahmen bekannt. Der Konsenspolitiker Anschober wollte/konnte sich dazu nicht konkret äußern.

Wo war bei alledem der Bundeskanzler Sebastian Kurz? In die Verhandlungen eingebunden, so ist anzunehmen. Aber wie? Hat er dem Gesundheitsminister den Rücken gestärkt, hat er versucht, seine Autorität in die Waagschale zu werfen? Hat er den Tirolern klargemacht, wie ernst die Situation ist? Auch im Hinblick darauf, dass sich die europäischen Nachbarn ein "zweites Ischgl" nicht gefallen lassen werden? Oder konnte er nicht Klartext sprechen, weil die Tiroler Hoteliers- und Seilbahnrunde zu den stärksten (auch finanziellen) Unterstützern von Türkis gehört? Am frühen Nachmittag ersuchte Kanzler Kurz, unnötige Reisen nach Tirol zu unterlassen.

Ein Krisenpunkt ist erreicht. Ein Bundesland weigert sich einfach, den Entscheidungen der obersten Bundesgesundheitsbehörde zu folgen. Wir machen unseres im heiligen Land, ihr machts eures da unten in der fernen Hauptstadt. Wann sonst ist die Autorität eines Kanzlers gefragt? Gewiss, er kann und soll "hinter den Kulissen" vermitteln. Aber bald steht auch seine Autorität auf dem Spiel. (Hans Rauscher, 8.2.2021)