In den fossilen Jahrzehnten erschien alles recht einfach. Die Kohle hatten wir selbst, soweit sich der Abbau überhaupt lohnte. Das Erdöl floss in Strömen und machte einige wenige Länder auf fragwürdige Art und mit ungerechter Verteilung reich. Der Westen fuhr damit gut, der Ferne Osten holte rasant auf. Und der globale Süden blieb auf der Strecke.

Die notwendige Abkehr von fossilen Brennstoffen gibt dem alten Ungleichgewicht noch einmal einen Drall. Wir brauchen zwar immer weniger Öl, aber viele andere Rohstoffe in viel größeren Mengen als bisher. Die neuen Technologien bieten zwar die Chance, aus dem fossilen Kohlenstoff auszusteigen, aber auch viele Risiken, sich noch schneller in Richtung Kollaps zu bewegen. So lässt sich sogar sagen, der Mensch braucht das Erdöl gar nicht, er kann seine Lebensgrundlagen auch ohne braune Sauce ruinieren.#

Lithium- und...
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Die Gegner der Elektroautos haben recht, wenn sie den enormen Ressourcenbedarf für Batterien kritisieren. Aber sie haben nicht recht, wenn sie empfehlen, deshalb beim Erdöl zu bleiben. Wenn Zusammenhänge überhaupt beachtet werden, werden sie vorwiegend in technologischen Machbarkeitsszenarien dargestellt.

Wir sehen Windräder zu Wasserstoffgewinnung in Patagonien, Lithiumfelder in Chile, Kobaltminen in der Republik Kongo. BMW beispielsweise verspricht, die Lieferketten der Rohstoffe zu überwachen, Audi kühlt mit eisiger Luft aus der Antarktis das ökologische Gewissen seiner Autokäufer, Tesla eliminiert Kobalt aus seinen Batterien.

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Kobaltgewinnung.
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Das Grundproblem werden wir auch mit sinkendem Erdölbedarf nicht los. Und das heißt, Skalendenken: Mehr bedeutet billiger. Und wenn die Elektroautos nicht billig genug sind, kaufen wir sie nicht. Sie können damit nicht die fossil betriebenen ersetzen. Dann bricht unsere Wirtschaft zusammen. Die Spirale dreht sich weiter: Immer mehr Rohstoffe müssen immer billiger gefördert werden. Was wir jetzt haben, kann nicht der Gipfel der Klugheit sein: Elektroautos mit Batterien, die so schwer sind, dass zum Lenken ein normaler Pkw-Führerschein kaum mehr ausreicht.

Alles andersrum

Photovoltaik und Windkraft schöpfen aus dem unendlichen Energiereservoir der Sonne. Sie einzufangen, umzuwandeln und zu transportieren erfordert aber enorme technologische Anstrengungen wie auch politische:...
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Die Herstellung von gewöhnlichen Autos benötigte relativ wenig Energie, das Fahren damit fast alles. Beim Elektroauto dreht es sich: Fast die Hälfte der Energie muss schon hineingebuttert werden, noch bevor es überhaupt losgefahren ist.

Das ist noch immer kein Argument gegen das Elektroauto, aber eines, die Situation dringlich gesamthaft zu betrachten. Der Energieverbrauch kann nicht ohne Rohstoffbedarf gesehen werden. Das ist untrennbar. So ist die oft gehörte Aussage irreführend, es wäre genügend Energie da, weil die Sonne ja mehr als genug Strahlung liefert und obendrein den Wind antreibt.

Auch die Nutzbarmachung der kontinuierlich einströmenden Energie für menschliche Zwecke stresst den Planeten, insbesondere durch Umweltverschmutzung bei der Rohstoffgewinnung nicht nur für Elektroautos, sondern auch für Solaranlagen, Windräder, Generatoren, Energiewandler und Energiespeicher.

...Denn Menschenwürde und Achtsamkeit gegenüber der Natur sind keine technologischen Dimensionen.
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Für eine erfolgreiche Energiewende erscheinen viel weniger die technologischen Herausforderungen maßgeblich als politische und gesellschaftliche.

Im Hintergrund sind noch immer kolonialistische Wirtschaftsstrukturen in Betrieb, die längst als menschen- und naturverachtend erkannt wurden. Der Wettlauf um die Sicherung der Rohstoffe zur Stützung neuer Technologien hat die ungleichen globalen Machtspiele aber eher noch verschärft als abgemildert. Neue enorm schlagkräftige Player sind dazugekommen, allen voran China.

Die Technologie für die Energiewende haben wir bereits, die Herkulesaufgabe ist eher, die Profiteure des alten Ungleichgewichts davon zu überzeugen, dass auch Elon Musk nicht rechtzeitig mit der Aufbereitung des Mars für menschliches Leben fertig wird und die Flucht dorthin auch mit viel Geld nicht viel Sinn hat. (Rudolf Skarics, 17.2.2021)