Skifahren soll in Tirol künftig nur noch mit einem negativen Antigentest möglich sein. Das Land will so eine Isolation abwenden. Dennoch wurde vom Bund eine Reisewarnung ausgesprochen.

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Innsbruck – Nach einem turbulenten Verhandlungsmarathon konnte Montagmittag bei den Verhandlungen zwischen dem Land Tirol und dem Gesundheitsministerium über schärfere Maßnahmen wegen der südafrikanischen Virusmutation ein Kompromiss gefunden werden. Der Bund sprach – in Absprache mit dem Land – eine Reisewarnung für das Bundesland aus.

Darin wird vor nicht notwendigen Reisen nach Tirol gewarnt und ersucht, diese zu unterlassen. Zudem werden alle, die sich in den letzten zwei Wochen in Tirol aufgehalten haben oder aus Tirol in ein anderes Bundesland ausreisen, dazu aufgerufen, sich testen zu lassen. Darüber hinaus betonte der Bund, dass mit der schwarz-grünen Tiroler Landesregierung vereinbart wurde, die Situation täglich zu evaluieren, "ob die Maßnahmen zum Schutz der Tirolerinnen und Tiroler auch greifen".

Laut Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) "ist alles zu tun, um zu verhindern, dass sich diese Mutationen immer weiter ausbreiten". Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) ergänzte, dass die Lage laufend überprüft werde und Zusatzmaßnahmen jederzeit möglich seien. Die Reaktionen der Tiroler Parteien fielen naturgemäß unterschiedlich aus. Die regierenden Grünen sahen in dem Kompromiss einen Durchbruch. "Die Verschärfungen sind hart, aber notwendig. Ob sie ausreichend sein werden, müssen wir weiter von Tag zu Tag beurteilen", sagte Klubobmann Gebi Mair. Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger ortete indes in der Reisewarnung einen "Anschlag auf die Tiroler Bevölkerung" und einen "Kniefall" von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und seiner "Chaos-Truppe".

Reisewarnung laut Experten rechtlich wirkungslos

Juristen zufolge ist die Reisewarnung aber offenbar überhaupt nicht verbindlich. "Rechtlich ist das genau gar nichts", sagte der Verwaltungsjurist Karl Stöger am Montag. Es handle sich lediglich um eine Empfehlung, die der Steigerung der Aufmerksamkeit dienen solle. Mit Kritik an der Maßnahme hält sich Stöger, der auf Medizinrecht spezialisiert ist, nicht zurück und spricht von einem "Akt politischer Verzweiflung".

Rechtliche Verbindlichkeit hätte die Regierung abermals mit Schritten setzen können, die auf dem Covid-19-Maßnahmengesetz basieren. Etwa Verkehrsbeschränkungen, wie sie im Falle Tirols schon einmal gegolten haben. Effektiv seien Restriktionen nämlich nur dann, wenn Verbindungslinien konsequent unterbrochen würden. "Es ist eine Frage des politischen Willens", merkt Stöger dazu lediglich an.

Auch Peter Bußjäger, Uni-Professor am Institut für öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre in Innsbruck, hat bereits vor einigen Tagen die Rechtsverbindlichkeit einer solchen Maßnahme infrage gestellt: "Du kannst immer warnen. Man warnt ja vor Lawinen auch. Warnst halt vor Tirolern. Die Frage ist, ob man Rechtswirkungen damit verknüpfen kann. So eine Art 'Einreiseverordnung' ins Bundesland. Nein, da sehe ich eigentlich keine Grundlage", meinte er auf Twitter.

Alleingang: Tiroler Maßnahmenpaket

Tirols Landeschef Platter selbst ist auch nicht glücklich mit dem Begriff der Reisewarnung. Der Aufruf der Bundesregierung zur "allgemeinen Mobilitätseinschränkung" sei richtig, die Bezeichnung Reisewarnung innerhalb Österreichs aber "falsch", ließ der Landeschef in einer Aussendung wissen.

Ansonsten zeigte sich der Landeshauptmann aber froh, dass eine im Raum gestandene Isolation Tirols abgewendet werden konnte – und führte dies auf sein "Maßnahmenpaket" zurück, mit dem er am Montag in die Offensive gegangen war. Dieses beinhaltet neben einem Aufruf zur Mobilitätseinschränkung die Vorschreibung von negativen Antigen-Testergebnissen für die Benützung von Seilbahnen sowie flächendeckende PCR-Tests in Bezirken mit hoher Sieben-Tage-Inzidenz. Das ging dem Bund aber nicht weit genug.

Tirol wehrt sich seit Tagen verbissen gegen Maßnahmen wie eine Unter-Quarantäne-Stellung oder Isolation des gesamten Landes oder zumindest von Teilen davon sowie eine Verlängerung des harten Lockdowns, die nunmehr mit Montag nicht eintrat. Man will stattdessen weiter auf das mit dem Bund bisher vereinbarte Programm setzen, das Testungen sowie ein intensiveres Contact-Tracing vor allem im Bezirk Schwaz vorsieht.

Unklare Datenlage

Die Stimmung zwischen Bund und Land war zuletzt auf einen Tiefpunkt gefallen. Das von Platters Parteifreund Kurz geführte Kanzleramt hielt sich übers Wochenende auffällig zurück und verwies lediglich auf den grünen Gesundheitsminister als Hauptverhandler. Offenbar trennte auch die Interpretation der Mutationszahlen die beiden Seiten Bund und Land.

Tirol gibt an, die Situation im Griff zu haben, und verwies immer wieder auf rückläufige Infiziertenzahlen sowie die momentane Eingrenzbarkeit der Mutationsfälle. Zudem würden derzeit ohnehin nur acht aktiv positive Fälle der Südafrika-Mutation vorliegen. Insgesamt meldet das Bundesland nach wie vor 165 bestätigte Fälle der südafrikanischen Variante. Bei 230 weiteren Fällen liege ein Mutationsverdacht vor.

Dem widersprach der Bund am Montag in der Aussendung zur Reisewarnung: "Nach Einschätzung der Fachexperten liegen mittlerweile 293 belegte Fälle der südafrikanischen Mutation in Tirol vor, die Zahl der aktiven Fälle wird von den Fachexperten auf zumindest 140 geschätzt."

SPÖ-Kritik an Kurz

Am Wochenende hatte eine geballte schwarze Phalanx aus Tirol gegen Verschärfungen mobilgemacht. Die schwarzen Präsidenten von Arbeiter-, Landwirtschafts- und Wirtschaftskammer sowie alle Tiroler ÖVP-Nationalratsabgeordneten sprachen sich in einer gemeinsamen Aussendung gegen diese aus und forderten dieselben "bedachtsamen Öffnungsschritte" für Tirol analog zum Bund.

Kritik kam am Montag von der SPÖ: "Wo ist jetzt eigentlich der ach so harte Krisenmanager Sebastian Kurz?", fragte Gesundheitssprecher Philip Kucher per Aussendung. "Monatelang inszenierte er sich als Kapitän eines Schiffes, aber kaum gibt es parteiinternen Gegenwind, gibt er das Ruder außer Hand und versteckt sich unter Deck", meinte Kucher. Er warf dem Kanzler "tatenloses, beinahe schon ohnmächtig anmutendes Zusehen und Aus-der-Verantwortung-Stehlen" vor. Die gefährlichere südafrikanische Mutation dürfe sich unterdessen offenbar "munter weiterverbreiten". (APA, fmo, 8.2.2021)