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Für ein neues Sofa entschieden sich viele seit Beginn der Pandemie.

Foto: Getty Images/Noel Hendrickson

Markus Kilga: "Kleinere sind im Nachteil"

"Wirtschaftlich betrachtet, blicken wir mit unserer Agentur auf das beste Jahr überhaupt zurück. Der Zugang zu Wohnen und Design hat in dieser Zeit zweifellos an Bedeutung gewonnen. Viele Menschen sagen: ‚Wenn ich so eingeschränkt bin, dann möchte ich in meinem persönlichen Umfeld keinen Nachteil erfahren.‘ Es hat sich gezeigt, dass manche Kunden unsere Möbel kaufen, ohne sie überhaupt gesehen zu haben. Ein Teil unseres geschäftlichen Erfolgs liegt bestimmt auch daran, dass unsere Produkte in Europa produziert werden.

Die Bettstatt als gefragtes "Krisenrevier": Rever von Poliform.
Foto: Poliform

Natürlich kommt uns auch sehr zugute, dass die Menschen nicht verreisen konnten und das Geld somit vermehrt in ihr Interieur gesteckt haben. Dadurch haben sich auch Menschen, die sonst nicht im hochpreisigen Segment einkaufen würden, in diesem Jahr mehr in Sachen Möbel gegönnt. Überlegen Sie nur, was ein längerer Urlaub mit Kindern kostet. Besonders gefragt waren Sitzmöbel in kleineren Formationen, Betten und natürlich Sofas. Ich denke schon, dass diese Entwicklung auch längerfristig einen positiven Einfluss auf unsere Branche haben wird. Das Bewusstsein fürs Wohnen ist bei vielen Menschen angekommen.

Foto: Markus Kilga

Was die Trends in Sachen Einrichtung betrifft, mussten wir uns in dieser Zeit natürlich anpassen, wobei im Falle meiner Produzenten der Wegfall der großen Messen nicht so sehr ins Gewicht fiel. Viele von ihnen verfügen über große und sehr repräsentative Schauräume. Das bedeutet, dass die neuen Kollektionen den Händlern vor Ort präsentiert wurden, sofern das bezüglich Reiseeinschränkungen möglich war. Auch in Sachen virtuelle Präsentation hat sich in diesen Monaten sehr viel getan.

Wenn ich an die kleinen, ich sag’ einmal ‚wilden‘ Ausstellungen zum Beispiel rund um die Mailänder Möbelmesse denke, muss man natürlich schon sagen, dass nicht so große Designer, Player und Plattformen hier eindeutig im Nachteil sind. Das ist schade."

Markus Kilga fungiert von Innsbruck aus als Bindeglied zwischen Produzenten und Händlern. Er vertritt u. a. Minotti, Poliform und Tom Dixon.
www.kilgamoebelagentur.at


Astrid Zuwa: "Wir sind Krisenbegleiter"

"Ich würde nicht sagen, dass die Menschen wirklich mehr Geld fürs Wohnen ausgeben. Die Situation hat sich dorthingehend verändert, dass viele Leute plötzlich im Privatbereich einen Arbeitsplatz schaffen mussten. Es wurde klar, dass Arbeiten am Ess- oder Couchtisch keine dauerhafte Lösung mehr sein konnte. Das heißt, es ging um das vermehrte Integrieren anderer Wohnbereiche. Auch der zeitgeistige Begriff Neo-Biedermeier hat seine Gültigkeit, denn selbstverständlich haben sich viele Menschen mehr mit ihrer Einrichtung auseinandergesetzt. Dass es die Menschen nach mehr Gemütlichkeit dürstet, kann ich allerdings nicht bestätigen.

Astrid Zuwa
Foto: Suzy Stöckl

Dafür konnte ich beobachten, dass sich viele mit der Frage ‚Was brauche ich wirklich?‘ beschäftigt haben. Das haben wir auch schon während der Finanzkrise im Jahr 2008 oder mit der großen Migrationskrise festgestellt. Eine Vielzahl von Menschen hat einfach gemerkt, dass sich der Konsum um des Konsums willen nicht mehr richtig anfühlt. Wir haben schon damals begonnen, darauf zu reagieren, indem wir diese Frage reflektierten und kommunizierten.

Klar sind wir ein Handelsunternehmen und müssen Umsatz machen, aber wir haben nichts davon, wenn jemand ein Möbel kauft und zu Hause draufkommt, dass er es eigentlich gar nicht benötigt. Interessant ist in diesen Zeiten auch, dass immer mehr Unternehmen auf die Nachhaltigkeit der Rohstoffe setzen. Das ist ein sehr erfreulicher Trend, auch wenn das bei vielen Kunden noch nicht so im Bewusstsein angekommen ist.

Uns geht es, was das Geschäft betrifft, gut. Auch wenn wir aus der Komfortzone rausmussten. Wir sehen uns in dieser Zeit als Krisenbegleiter, der eng im Dialog mit den Kunden steht. Auch in den Phasen, in denen das Geschäft geschlossen hatte, waren wir präsent und haben die Telefonate angenommen. Vor allem in Sachen Lieferungen heißt es, sehr flexibel zu sein. Vogel Strauß darf man in Zeiten wie diesen keiner sein."

Astrid Zuwa führt in Wien mit Jasmin Knapp das Unternehmen Designfunktion, das sich mit moderner Büro- und Wohngestaltung beschäftigt.
www.designfunktion.at

Vermehrt produziert: Möbel aus erneuerbaren Materialien, wie Cassinas LC2.
Foto: Cassina

Markus Tüchler: "Wohnen wurde wichtiger"

"Wir konnten während der vergangenen elf Monate sehr viel über Zoom-Meetings und das Verschicken von Mustern umsetzen. Zum Teil haben wir Muster den Kunden vor die Türe gestellt. Interieurfragen und Pläne wurden in der Folge via Internet mit den Kunden besprochen. Ein großes Problem stellten in den ersten Monaten die Lieferschwierigkeiten dar, vor allem aus Italien. Als die Waren kamen, haben unsere Monteure geliefert und aufgebaut, während die Kundschaft nicht zu Hause war. Das war vor allem bei den Stammkunden kein Problem, auch wenn sich diese Arbeitsweise oft sehr aufwendig gestaltete.

Markus Tüchler
Foto: Akos Burg

Die Corona-Krise hat sich unterm Strich nicht negativ auf unser Geschäft ausgewirkt. Das soll jetzt aber bitte nicht heißen, wir seien Corona-Gewinner. Sagen wir es so: Wir hatten keine Einbußen. Ich denke, dass Wohnen den Menschen wichtiger geworden ist. Wenn man viel Zeit zu Hause verbringt, merkt man halt eher, dass einen vielleicht doch irgendwas stört oder einem das eine oder andere fehlt. Das reicht von Wandfarben bis hin zum Zustand des Sofas. Das Ganze ist übrigens nicht unbedingt ein Geldthema. Viele Kunden haben einfach nur neue Sitzkissen bestellt. Unterm Strich gingen am besten Sofas, Esstische, Stühle und Bürodrehstühle.

Knotzen statt ausgehen, z. B. auf dem Sofa Extrasoft von Living Divani.
Foto: Living Divani

Ob sich dieses Bewusstsein für Design und Einrichtung längerfristig so halten wird, ist eine gute Frage. Da gehen die Meinungen auseinander. Ich glaube, wenn die Zeit des Reisens und Ausgehens wiederkommt, wird sich das auch wieder abschwächen. Apropos Trends: Auf den Wegfall der großen Möbelmessen wie Mailand oder Köln haben die Hersteller extrem schnell reagiert und ihre Kollektionen mit professionellen Kamerateams übers Internet vorgestellt und erklärt. Positiv aufgefallen ist mir auch, dass mehr Wert auf Verbesserung des Bestehenden gelegt wird. Das Trend-Diktat ist weniger streng in diesen Zeiten. Es geht nicht mehr nur um neu, neu, neu! Das wird langfristig wohl kaum so bleiben."

Markus Tüchler und Michaela Thul, gemeinsam Mood Wien, arbeiten mit ihrem Team aus Innenarchitekten im Bereich Planung und Einrichtung.
www.moodwien.at

(Michael Hausenblas, RONDO, 19.2.2021)