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Besonders in Krisenzeiten sehen viele ihren Partner als eine Quelle von Stabilität und Rückhalt.

Foto: Getty Images/Tom Werner

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Partner, und der ist immer da. Morgens, vormittags, mittags, nachmittags, abends und nachts. Jeden Tag, Montag bis Sonntag. Rückzugsmöglichkeiten gibt es kaum. Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie haben zusätzlich noch Kinder, die auch da sind. Permanent. In der selben Wohnung. Die oft laut sind, nicht aufräumen, nörgeln, einem auf den Wecker gehen. Solch eine Situation muss doch zu Konflikten und Trennungen führen, oder?

Glücklichere Beziehung dank Krise

Nicht unbedingt. Knapp zwei Drittel (64 Prozent) der in Partnerschaft lebenden Personen in Österreich finden, dass sich ihre Beziehung seit Beginn der Pandemie zum Besseren entwickelt hat. Das ergab eine repräsentative Studie mit 1.052 Befragten im Auftrag der Online-Partneragentur Parship, die im November 2020 durchgeführt wurde.

Sieben von zehn Österreichern und Österreicherinnen leben in einer Partnerschaft, davon sind 37 Prozent schon länger als 20 Jahre liiert. Die meisten von ihnen kommen gut durch die Corona-Krise. Caroline Erb, Psychologin bei Parship: "In unsicheren Zeiten sehnen wir uns nach Stabilität. Ein Partner, dem ich vertraue und auf den ich mich verlassen kann, ist daher eine wichtige Stütze. Wir alle empfinden die jetzige Situation als besonders herausfordernd. Umso mehr sind Paare dankbar, die aktuellen Herausforderungen gemeinsam zu meistern." Vielmehr ist es so, dass die bereits bekannten Marotten eines Partners an Bedeutung verlieren (49 Prozent), wobei sich 77 Prozent bewusst darauf konzentrieren, das Gute an ihrer Partnerschaft zu sehen. So haben 38 Prozent neue Eigenschaften an ihren Partnern entdeckt, die sie sehr schätzen. Auch die Kommunikation hat sich verbessert: Fast die Hälfte der Befragten gibt an, in Zeiten der Pandemie mit ihrem Partner öfter über ihre Sorgen und Ängste zu sprechen.

Belastungsprobe für Eltern

Paarberaterin Sophia Bolzano sieht die Studienergebnisse kritisch. Es sei wichtig, zwischen Paaren mit und ohne Kindern zu differenzieren. Und auch zu unterschieden, ob es sich um Eltern mit kleinen oder großen Kindern handelt. Während sich etwa kinderlose Paare an ihrer Beziehung erfreuen können, verlieren sich Eltern sehr schnell als Paar, weil die Hilfe von außen wegfällt. "Kleinkinder können sich noch nicht gut alleine beschäftigen. Wenn der Kindergarten zusperrt und man dennoch im Homeoffice arbeiten muss, bleibt kaum mehr Paarzeit", sagt sie.

In ihrer Praxis erlebe sie viele Familien, für die die Pandemie eine irrsinnige Herausforderung ist. "Eltern klagen an allen Ecken und Enden. Sie haben kaum mehr Zeit, einmal durchzuatmen." Außerdem sei die Corona-Pandemie für einkommensschwache Paare oder Familien noch einmal eine ganz andere Belastungsprobe als für jene, die finanziell stabil (geblieben) sind.

Die Erschwernisse der Pandemie kommen auch in der Parship-Studie ans Licht: So sagt jeder zweite Befragte, dass das Distance Learning als sehr herausfordernd und belastend empfunden wird, und fast jeder Dritte macht sich Sorgen um Geld aufgrund von Kurzarbeit oder Jobverlust. Außerdem sehnt sich jeder Fünfte nach mehr Zeit für sich allein, ohne Partner. "Natürlich sind wir viel mehr an die eigenen vier Wände gebunden, und wenn Arbeit, Schule und Freizeit an einem Ort stattfinden sollen, bleibt dies ein Drahtseilakt für jede noch so gut laufende Beziehung", so Erb.

Angesichts der Studienergebnisse drängen sich zwei Fragen auf. Erstens: Warum hat sich die Pandemie dennoch bei so vielen positiv auf die Beziehung ausgewirkt? Und zweitens: Wie schaffen es belastete Paare oder Eltern, nicht am Corona-Stresstest zu zerbrechen?

Konstruktiv streiten

Paarberaterin Bolzano weiß, dass in der Krise Dinge ans Licht kommen, die vorher oft kaum sichtbar waren: "Wenn etwa die Beziehung schon vor Corona sehr schön war, dann ist sie während der Pandemie häufig noch besser geworden. Wenn es vorher allerdings schon Probleme gab, mit denen man sich nie auseinandergesetzt hat, dann sind sie durch die Krise plötzlich sehr präsent." Sie beschreibt diesen Effekt wie eine vergrößerte Darstellung der Dinge durch eine Lupe. Warum? "Weil es Ausgangsbeschränkungen und Lockdowns nicht mehr zulassen, wegzusehen", sagt sie. "Es gibt so viele Paare, die über Jahre hinweg vor ihren Problemen davonlaufen, indem sie sich mit Sport, Reisen oder sonstigen Beschäftigungstherapien ablenken." Corona mache den Blick frei für die Dinge, die da sind. Für den ungeschönten Ist-Zustand. Der kann sowohl positiv als auch negativ sein. Ein gutes Beispiel dafür sei etwa die Sexualität. "Wenn man wochenlang aufeinanderpickt und als Paar eigentlich genug Zeit für Sex hätte, dann ist das Thema plötzlich unausweichlich, wenn man dennoch keinen hat." In Isolation würden sich derartige Probleme nur noch schwer ignorieren lassen — in vielen Fällen führten sie eher zu heftigen Konflikten.

Wobei die Paarberaterin gerade Konflikte als Chance für eine schöne, langfristige Beziehung sieht: "Streiten ist ganz wichtig, denn ansonsten wabern unausgesprochene Bedürfnisse oder Ärger im Verborgenen herum und suchen sich einen anderen Weg, um an die Oberfläche zu kommen."

Wichtig sei allerdings, nicht vor den Kindern zu streiten. "Vor allem kleine Kinder können den Streit der Eltern noch nicht verordnen, weil sie sich selber noch als Mittelpunkt der Welt betrachten und auf diese Weise schnell das Gefühl bekommen, Schuld zu haben", sagt Bolzano. Und wenn es einmal doch passiert, sollten Eltern ihre Kinder aber auch an der Versöhnung teilhaben lassen und im Anschluss erklären, warum Mama und Papa gerade so laut geredet haben, sie so zornig waren.

Doch auch für kinderlose Paare gilt: Streit ist nicht gleich Streit. Es kommt immer darauf an, wie man streitet. Konstruktives Streiten könne letzten Endes auch dazu führen, dass die Beziehung sogar noch besser wird. Doch wie streitet man konstruktiv?

Die VW-Methode

Eine Möglichkeit: Man wandelt Vorwürfe in Wünsche um. Zum Beispiel: "Nie hilfst du mir im Haushalt" (Vorwurf) wird zu "Ich wünsche mir, dass du mir im Haushalt hilfst" (Wunsch).

"Bei einem Vorwurf stößt man den anderen eigentlich weg. Mit einem Wunsch hole ich ihn aber her", sagt Bolzano. Durch Anwendung der VW-Methode würde das Bedürfnis im Konflikt erkennbar.

Paarzeit und Ich-Zeit schenken

In der Studie von Parship gab übrigens jedes fünfte Paar an, dass die Aufgabenverteilung im Haushalt neu geordnet wurde, vor allem bei den jüngeren Befragten. Gleichberechtigung hält auch die Paarberaterin für essenziell. "Gerade Eltern sollten sich ihre Aufgaben gleichberechtigt aufteilen und sich gegenseitig Zeit schenken, damit Mama und Papa zu ihrer Ich-Zeit kommen". Bolzano spricht dabei von Kleinigkeiten, die sich leicht in den Familienalltag integrieren lassen: eine Stunde joggen, einmal ausschlafen, ein heißes Bad.

Sollten Eltern die Möglichkeit haben, einmal ohne Kinder etwas zu machen, empfiehlt Bolzano, lieber nicht den immer gleichen Spaziergang durch den Park zu unternehmen, sondern kreativ zu werden. Dies ist durch Corona natürlich nur eingeschränkt möglich. Doch die Paarberaterin weiß, dass gemeinsame Erlebnisse der Beziehung einen Aufwind verleihen. "Gehen Sie in einen Park, nehmen Sie Musik mit und machen Sie zusammen Sport. Treffen Sie ein befreundetes Paar oder nehmen Sie abends gemeinsam an einem Online-Kochkurs teil."

Sich bewusst Zeit für Sex zu nehmen sei übrigens auch eine wunderbare Möglichkeit, sich die Zeit zu vertreiben. Gerade wenn Kinder da sind, bleibt die Sexualität häufig auf der Strecke. Bolzano schlägt Paaren vor, in der Krise auch mal ein sexuelles Experiment zu wagen, sich Sextoys zu kaufen oder sich von erotischen Filmen inspirieren zu lassen. (Nadja Kupsa, 9.2.2021)