Windturbinen und Kohlekraftwerke, dazwischen der Braunkohle-Tagebau Garzweiler nahe Jackerath in Nordrhein-Westfalen – alles im Besitz des RWE-Energiekonzerns. Strom aus Kohle hat im vergangenen Corona-Jahr einen Dämpfer erlitten, erneuerbare Energieträger wurden deutlich attraktiver. Dieser Abwärtstrend könnte sich auch nach dem Ende der Pandemie fortsetzen.
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Als sich vor einem Jahr der Einfluss der Pandemie auf unser aller Leben so richtig zu entfalten begann, schöpften einige Hoffnung in der Krise. Vielleicht könnte Corona ja zumindest dem Klimawandel ein wenig Einhalt gebieten. Tatsächlich wurde ein entsprechender Effekt gemessen: Eine Studie vom vergangenen Mai stellte während des Lockdown-Höhepunktes im Frühjahr 2020 einen um durchschnittlich 17 Prozent niedrigeren globalen CO2-Ausstoß pro Tag fest. Natürlich war der Einbruch bloß von kurzer Dauer, schon Anfang Juni lagen die täglichen CO2-Emissionen nur noch rund fünf Prozent unter denen von 2019.

Langfristig nutzen die Folgen der Corona-Krise dem Klima also wenig. Der kleine Knick in der Treibhausgasbilanz ändere praktisch nichts am Verlauf, schilderte Petteri Taalas, Generalsekretär der Weltwetterorganisation (WMO), im vergangenen November die Ergebnisse einer neueren Studie. Schlimmer noch: So wirtschaftlich einschneidend das Jahr 2020 für die Menschheit war, der Rückgang bei den CO2-Emissionen lag im Jahresschnitt immer noch innerhalb der gewohnten Schwankungsbreite.

Angeschlagener Sektor

Also nichts mit Corona als Chance für den Klimakampf? Möglicherweise doch: Als Wirtschaftswissenschafter den Energiesektor während der Corona-Krise näher unter die Lupe nahmen, entdeckten sie eine Möglichkeit, einen langfristigen Trend deutlich abzukürzen und den Kurs, den die globalen Kohlendioxidemissionen nehmen, entscheidend zu beeinflussen.

Die Energiewirtschaft befindet sich nicht erst seit Corona im Umbruch: In Deutschland lag 2019 der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen am Strommix bei 46 Prozent. Damit schob sich in diesem Jahr der "grüne" Strom im Nachbarland erstmals an den fossilen Energieträgern vorbei. Zwei Jahre zuvor lag der Anteil dort noch bei 38 Prozent, das geht aus Zahlen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg hervor. Der Trend ist lukrativ, der globale Photovoltaikmarkt wuchs zwischen 2010 und 2018 um jährlich 37 Prozent.

Hohe Betriebskosten bei Kohle

Als dann im Vorjahr die Pandemie der Weltwirtschaft immer stärker zusetzte, bekam das der ohnehin schon angeschlagene Kohlesektor besonders zu spüren, berichtet nun eine Gruppe von Ökonomen aus Potsdam und Berlin im Fachjournal "Nature Climate Change". "Kohle ist von der Corona-Krise stärker betroffen als andere Energiequellen – und der Grund ist einfach", erklärt Hauptautor Christoph Bertram vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

"Wenn die Nachfrage nach Strom sinkt, werden Kohlekraftwerke normalerweise zuerst abgeschaltet. Dies liegt daran, dass der Prozess der Verbrennung von Brennstoffen ständig hohe Kosten verursacht" , so der Wirtschaftswissenschafter. Die Anlagenbetreiber müssten demnach für jede einzelne Tonne Kohle bezahlen. Die Betriebskosten von Wind- und Solaranlagen seien nach dem Bau im Vergleich dazu deutlich niedriger.

Dies führte dazu, dass nur innerhalb eines einzigen Jahres fossile Brennstoffe teilweise aus dem Stromerzeugungsmix verdrängt wurden. Auf der Emissionsseite schlug sich dies in einem weltweit um sieben Prozent geringeren CO2-Ausstoß nieder. In Indien, den USA oder den europäischen Ländern gingen die CO2-Emissionen aus der Energieerzeugung phasenweise sogar um bis zu 50 Prozent zurück.

Point of no Return?

Für Bertram und sein Team sei dies die perfekte Gelegenheit, den momentanen Abwärtstrend bei der Kohlenutzung unumkehrbar zu machen. "Solange das Wachstum der sauberen Stromerzeugung den Anstieg des Strombedarfs übersteigt, werden die CO2-Emissionen aus dem Stromsektor weiter sinken", sagt Mitautor Gunnar Luderer. "Nur bei einer ungewöhnlich hohen Stromnachfrage in Kombination mit einem geringen Zubau an erneuerbaren Kraftwerken in den Jahren 2022 bis 2024 und darüber hinaus würde die fossile Stromerzeugung wieder auf das Niveau von vor der Pandemie zurückfallen."

Die Ergebnisse würden demonstrieren, wie wirtschaftlich riskant es sei, in fossile Energieträger zu investieren, schreiben die Forscher. Die Situation könnte das Ende der klimafeindlichen Energieproduktion erheblich beschleunigen. Damit diese Chance auf eine nachhaltige Weichenstellung in der Stromerzeugung jedoch nicht ungenutzt vorüberstreicht, brauche es freilich weiterhin Maßnahmen, wie eine zusätzliche CO2-Bepreisung, das Ende von Subventionen für fossile Brennstoffe und zusätzliche Investitionen in Wind- und Solarstrom. (Thomas Bergmayr, 9.2.2021)