Die russische Botschaft in Berlin.

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Berlin – Als Reaktion auf die Ausweisung eines deutschen Diplomaten aus Russland muss ein Mitarbeiter der russischen Botschaft in Berlin das Land verlassen. Das Auswärtige Amt teilte am Montag mit, dass ein russischer Diplomat zur "unerwünschten Person" (Persona non grata) erklärt wurde.

Die Entscheidung der Regierung in Moskau sei "in keiner Weise gerechtfertigt", erklärte das Ministerium. In Kreisen des Auswärtigen Amtes hieß es zudem, der Schritt sei "eng mit Polen, Schweden und dem Europäischen Auswärtigen Dienst abgestimmt". Das schwedische Außenministerium teilte über Twitter mit, es habe ebenfalls einen russischen Diplomaten gebeten, das Land zu verlassen. Polen teilte mit, dass ein russischer Konsulatsmitarbeiter zur "Persona non grata" erklärt worden sei.

Kritik aus Europa und USA

Russland verteidigte am Montag hingegen erneut die Ausweisung von drei Diplomaten aus Deutschland, Schweden und Polen. "Die russische Seite hat deutlich gemacht, dass sie nicht beabsichtigt, so etwas zu dulden", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax. Das russische Außenministerium hatte die drei Diplomaten zu "unerwünschten Personen" erklärt, weil sie am 23. Jänner in Moskau und St. Petersburg an nicht genehmigten Protesten teilgenommen haben sollen. An dem Tag hatten in ganz Russland zehntausende Menschen für die Freilassung des inhaftierten Kremlkritikers Alexej Nawalny und gegen Präsident Wladimir Putin demonstriert. Tausende waren festgenommen worden.

Die Regierungen von Deutschland, Schweden und Polen weisen die Anschuldigungen Russlands zurück; die Vertreter seien nicht Teilnehmer, sondern Beobachter gewesen, hieß es. Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte dazu, der betroffene deutsche Diplomat sei seiner im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vorgesehenen Aufgabe nachgekommen, sich mit rechtmäßigen Mitteln über die Entwicklung vor Ort zu informieren.

Das russische Staatsfernsehen führte die Diplomaten dagegen wie Kriminelle vor: Sie veröffentlichten Bilder von Überwachungskameras, kreisten die Diplomaten mit Grafiksymbolen auf der Straße in der Menschenmenge ein und nannten sie mit vollem Namen und Funktion. "Er ging mit Absicht zielgerichtet ins Epizentrum der Ereignisse und begab sich dorthin, wo fast die meisten Leute waren", kommentierte der Sprecher der Nachrichtensendung.

Nawalny-Krise

Kritik an dem russischen Vorgehen kam zudem unter anderem aus dem US-Außenministerium sowie vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte in einem Blog am späten Sonntagabend: "Europa und Russland driften auseinander." Borrell hielt sich am Freitag in Moskau auf, als Diplomaten aus Deutschland, Polen und Schweden von der russischen Regierung ausgewiesen wurden. Der spanische Politiker war in Moskau um eine Annäherung bemüht, seine Anfrage nach einem Besuch des inhaftierten Nawalny wurde aber nicht stattgegeben.

Nawalny war am Dienstag zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil er gegen Bewährungsauflagen aus einem früheren Urteil verstoßen haben soll. Er war im Jänner nach seiner Rückkehr aus Deutschland festgenommen worden, wo er wegen eines in Russland erlittenen Giftanschlags behandelt worden war.

Sanktionsforderungen und Umfragewerte

Polen, Litauen, Estland, Lettland, Rumänien und Tschechien haben sich vergangene Woche bereits für weitere Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Deutschland, Frankreich und Italien wollen Putin dagegen mehr Zeit einräumen, um seine Haltung im Konflikt mit Nawalny zu überdenken. Nawalnys Vertraute haben bereits eine Liste russischer Politiker und Geschäftsleute veröffentlicht, die ihrer Meinung nach sanktioniert werden sollten.

Putin hat nach den schweren Korruptionsvorwürfen Nawalnys einer Umfrage zufolge an Zustimmung eingebüßt. Nawalnys Team hatte vor fast drei Wochen ein viel beachtetes Enthüllungsvideo veröffentlicht, in dem Putin beschuldigt wird, sich aus Schmiergeldern einen Riesenpalast am Schwarzen Meer gebaut zu haben. Bei 17 Prozent der Menschen hat sich die Einstellung gegenüber Putin dadurch verschlechtert, wie aus der am Montag veröffentlichten repräsentativen Befragung des Meinungsforschungsinstituts Lewada hervorgeht. Die Mehrheit der Menschen (77 Prozent) änderte ihr Bild vom Kremlchef durch den Clip demnach nicht.

Lettland sperrt russischen TV-Sender

Ein EU-Land ergriff allerdings schon am Montag Maßnahmen, um den Einfluss des Kremls im eigenen Land einzudämmen: Lettland stoppt ab dem 15. Februar für ein Jahr die Ausstrahlung des russischsprachigen Fernsehsenders Rossija RTR, den es als wichtigstes "Propaganda-TV-Programm" des Kremls ansieht. Der Kanal habe zu Unruhen und Hass angestiftet und zur Provokation militärischer Konflikte aufgerufen. Weil Rossija RTR nicht in Russland, sondern in Schweden registriert ist, wurde auch die EU-Kommission und die schwedische Rundfunkbehörde über die Entscheidung informiert.

Lettland hatte – wie auch das benachbarte Litauen – schon zuvor befristete Sendeverbote gegen russische Fernsehkanäle wegen des Vorwurfs der tendenziösen Berichterstattung verhängt. Kritiker sehen darin eine Einschränkung der Meinungsfreiheit und bezweifeln die Wirksamkeit der Sperren. Befürworter heißen die Sendeverbote dagegen als Antwort auf die Propaganda durch Moskaus Staatssender gut. (red, APA, Reuters, 8.2.2021)