Warnungen vor einer hohen Inflation sind so alt wie die Finanzkrise von 2008, zu deren Abfederung die Notenbanken aus allen geldpolitischen Rohren feuerten. Allein, eingetreten ist sie bisher nicht. Doch in der Corona-Krise vollzogen die Währungshüter international einen Schulterschluss mit Regierungen, die jetzt jeweils die Wirtschaft und die Finanzmärkte mit Unsummen stützen. Nun warnen zwei renommierte Ökonomen angesichts des 1,9 Billionen Dollar schweren Konjunkturpakets von US-Präsident Joe Biden vor einem Inflationsschub.

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In der Theorie führt neues Geld von Notenbanken zu Inflation. Nur die Praxis wollte davon bisher nichts wissen.
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Einer davon ist Larry Summers, Harvard-Professor und einst Finanzminister unter Präsident Bill Clinton: Er erachtet das Hilfspaket für überdimensioniert, was zu einer Überhitzung der Wirtschaft führe und wenig finanziellen Spielraum für Infrastrukturprogramme lasse. Die Regierung ignoriere die Gefahr einer hohen Teuerung, obwohl ein Inflationsdruck entstehen könne, "wie wir es seit einer Generation nicht mehr gesehen haben".

Worauf Summers anspielt: In den 1970er-Jahren stießen zwei Ölpreisschocks einen Inflationsschub an, der die Teuerung in den USA gegen Ende des Jahrzehnts auf etwa 15 Prozent pro Jahr hochschaukelte. Dem Spuk setzte die US-Notenbank Fed Anfang der 1980er ein Ende, indem sie die Leitzinsen kurzfristig bis auf 20 Prozent hochschraubte. Es folgten vier Jahrzehnte tendenziell sinkender Inflation und Zinsen.

Übergroßes Hilfspaket

Allerdings könnte sich diese Entwicklung laut dem früheren IWF-Chefökonomen Olivier Blanchard nun drehen. Auch für ihn ist Bidens neues Hilfspaket zu groß, er rechnet vor: Ohne die Corona-Krise wäre die US-Wirtschaftsleistung höchstens um 900 Milliarden Dollar größer. Dank des ersten Hilfspakets im Frühjahr konnten US-Bürger die Ersparnisse um insgesamt 1,6 Billionen Dollar erhöhen, dazu kommen das 900-Milliarden-Hilfspaket von Dezember und nun weitere 1,9 Billionen Dollar. Sollten diese Summen in Nachfrage umgemünzt werden, drohe ein Inflationsschub, und die Währungshüter würden darauf stärker reagieren müssen.

Dabei hat die US-Notenbank wie auch die EZB erst angekündigt, ein kurzfristiges Überschießen des jeweiligen Inflationsziels von zwei bzw. knapp zwei Prozent zuzulassen – ohne deshalb sofort die Geldpolitik zu straffen. In anderer Leseart bedeutet dies wohl: Die Währungshüter stärken den Regierungen zur Pandemiebekämpfung den Rücken für ausufernde Haushaltsdefizite, indem sie günstige Finanzierungsbedingungen in Aussicht stellen – also die Leitzinsen sehr tief bleiben und massiv Staatsanleihen gekauft werden, wodurch deren Renditen nach unten manipuliert werden.

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Angestiegen sind durch das viele Geld der Notenbanken die Vermögenspreise, also Aktien, Anleihen und Immobilien.
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Diese Geldflut, die Notenbanken über Anleihenkäufe seit der Finanzkrise in die Märkte gepumpt haben, erreicht die Bevölkerung allerdings nicht und erzeugt daher keine Inflation an der Supermarktkasse. Stattdessen schwirrt diese Liquidität an den Finanzmärkten umher und stieß einen Inflationsschub der Vermögenspreise an, wie der gleichzeitige Boom von Aktien, Anleihen und Immobilen belegt.

Anders bei Regierungen, die ihre Finanzspritzen meist an Firmen oder Haushalte adressieren. Gerade deshalb warnen die US-Ökonomen Summers und Blanchard vor einer Überdosis, obwohl beide bisher eher als sogenannte Tauben bekannt waren, also als Verfechter einer laxen Geld- und Haushaltspolitik.

Kurzfristiger Anstieg

Auch an den Finanzmärkten wird Inflation immer mehr zum Thema: Das Analysehaus Oxford Economics wirft die Frage auf, inwieweit die Teuerung das heurige Anlagejahr vermasseln werde, und die Zinsexperten des Vermögensverwalters PGIM Fixed Income erwarten ein "kurzfristiges Inflationswunder". Dass die Teuerung fast überall ansteigen wird, gilt als ausgemacht. Goldman Sachs rechnet heuer in den USA mit dem Erreichen von drei Prozent, laut einer Erhebung der Deutschen Bundesbank erwarten Verbraucher 3,1 Prozent Inflation – nicht zuletzt wegen der ausgelaufenen Umsatzsteuersenkung. Nur in Österreich soll die Teuerung mit vom Wifo erwarteten 1,5 Prozent bloß minimal ansteigen.

Aber auch global sieht Josef Baumgartner keine Trendwende bei der Inflation. Laut dem Wifo-Ökonomen sind es drei Faktoren, die seit Jahrzehnten den Preisauftrieb dämpfen – Globalisierung, sinkende Rohstoffpreise und technologischer Fortschritt. Davon sei zumindest Letzterer noch intakt. Auch für eine sogenannte Lohn-Preis-Spirale, Inflationstreiber in den 1970ern, sieht er wegen angeschlagener Jobmärkte keine Basis. Damals hatten sich bei Vollbeschäftigung Verbraucherpreise und Lohnzuwächse gegenseitig hochgeschaukelt.

Das sieht man auch in der Commerzbank so. Aber die Ökonomen warnen: Zu stark steigende Geldmengen erzeugen höhere Inflation, "wenn die große demografische Wende zu einer nennenswerten Verknappung von Arbeit führt". Ein Prozess, der mit der Pensionierung der Babyboomer ins Rollen kommt – also im Lauf dieses Jahrzehnts. (Alexander Hahn, 9.2.2021)