Die ÖBB ist im Bild viel kleiner als die Westbahn – im echten Leben ist es genau umgekehrt.

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Wien – Die vom Finanzministerium blockierte neuerliche "Notvergabe" für Zugverkehr auf der Westbahnstrecke bis Salzburg sorgt für Verstimmung in der Koalition. Der niederösterreichische Verkehrslandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) forderte Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) auf, der zu ihr ressortierenden ÖBB einen Ordnungsruf zu erteilen, um so die angedrohte Einstellung von Schnellzügen abzuwenden. Sonst zahlten die Pendler die Zeche für den Streit.

Gewessler wiederum appellierte erneut an Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), die Mittel für die Verlängerung der Corona-bedingt vom Staat bestellten Verkehrsdienstleistungen bei ÖBB und Westbahn freizugeben. Die Stützung in Form einer neuerlichen Notvergabe sei unverzichtbar für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs durch die unter akutem Fahrgastmangel leidenden Bahnen, mahnt die Ministerin. Druck in diese Richtung kam auch von SPÖ und Gewerkschaft.

Öffentliche Finanzierung

Das Finanzministerium meldete sich diesbezüglich nicht zu Wort. Das dürfte gute Gründe haben, die der ÖVP-Verkehrssprecher im Nationalrat, Andreas Ottenschläger, skizziert: Die ÖBB erhalte hohe Subventionen und öffentliche Finanzierungen, und da sei es nur billig, wenn sie im Sinne ihrer Kunden den Taktverkehr zwischen Wien und Salzburg aufrechterhalte und vor allem ihren eigenen Beitrag zur Bewältigung der Corona-Krise darlege. Diesem Wunsch kam die Staatsbahn ebenso wenig nach wie dem Begehr der Fahrgäste nach Auskunft, welche Züge eingestellt werden.

Zweistundentakt

Die Auswirkungen eines Ausfalls der nun infrage stehenden Zugverbindungen auf die Fahrgäste sind teils gravierend. Der bisher von der Westbahn im Zweistundentakt geführte "langsame Railjet" (RJ) Richtung Salzburg entfällt ab Mittwoch, und damit der Stundentakt. Um Kosten zu sparen, wird die ÖBB-Personenverkehr AG ab 22. Februar ihre eigenwirtschaftlichen, also nicht staatlich subventionierten Verkehre reduzieren: Alle zwei Stunden wird jeweils zur halben Stunde ein Express-Railjet (RJX) ab Wien fahren und alle zwei Stunden ein langsamer (jeweils um fünf Minuten vor Punkt). Damit wird nicht mehr jeder Zug nach Amstetten oder St. Valentin über einen Anschlusszug in die Regionen verfügen. ICE-Züge dürften ganz wegfallen, sofern sich Finanz- und Verkehrsministerium nicht doch noch einigen. Für Pendler bedeutet dies jedenfalls längere Fahr- und Wartezeiten.

Tiefe Einschnitte

Gravierende Einschnitte bedeutet die ausbleibende Notvergabe insbesondere für die von Hans Peter Haselsteiner kontrollierte Westbahn. Man werde 50 Prozent der Züge wohl streichen müssen, kündigte Westbahn-Geschäftsführer Erich Forster an. Der bisherige, im Zuge der Notvergabe mit der ÖBB abgestimmte Taktverkehr habe es ermöglicht, die variablen Kosten einzuspielen. Das werde ohne Bestellung durch den Staat nicht mehr möglich sein. Denn anders als die ÖBB, deren Pendlerverkehr der Staat ebenso finanziert wie den Fernverkehr auf der Südbahn und die Weststrecke ab Salzburg bis Vorarlberg, bleibe die private Konkurrenz auf den Fixkosten (bis hin zu Abschreibungen und Zinsen) ohne ausreichend Fahrgäste und Erlöse sitzen, rechnet Forster unter Verweis auf die Verkehrsdiensteverträge vor.

Aufrechterhaltung des Verkehrs

Auf staatliche Finanzierung umgesattelt – auch für die Westbahn – wurde erstmals im April 2020. Damals bestellte das Klimaschutzministerium Zugverbindungen bei ÖBB und Westbahn im Volumen von 48,3 Millionen Euro, um Schnellzüge zwischen Wien und Salzburg aufrechtzuerhalten, Davon 40 Millionen gingen an die ÖBB, 8,3 Millionen an die Westbahn). Im Gegenzug anerkannten die beiden Konkurrenten die Tickets des jeweilig anderen und mussten die Fahrkartenerlöse abliefern. Damit hing die einzige Strecke, auf der es Wettbewerb gibt und die von den Bahnbetreibern ohne Subventionen oder öffentliche Zuzahlungen auskommen muss, am Tropf der der öffentlichen Hand.

Im Oktober wurde die Bestellung erneuert, sie lief am Wochenende aus. Darüber hinaus wurde nach dem Güterverkehr auch dem Personenverkehr das Infrastrukturbenutzungsentgelt erlassen. Die Eisenbahnunternehmen mussten also keine Schienenmaut entrichten. Ob diese Staatshilfe ohne Notvergabe nun weiterläuft, war am Montag noch offen. (ung, APA, 8.2.2021)