Sind nicht gefährlich, nur Fans der Serie "Twin Peaks": Lukas Kranzelbinder, Mario Rom und Herbert Pirker (v. li.).

Foto: Severin Koller

Blendet man kurz die filmisch-literarischen Einflüsse aus, auf die sich Interzone bezieht, bleibt der ungeschminkte Eindruck eines raffinierten Trios, das die Entfaltung des Individuums zelebriert. Trompeter Mario Rom ist dabei der Orpheus der lyrisch-unendlichen Melodie, der bei offensiveren Stücken Virtuosität smart einsetzt, um Klischees expressiv zu dekonstruieren. Als Ganzheit vermittelt die neue Einspielung Eternal Fiction wiederum abstrakte Zugänglichkeit.

Getragen von Bassist Lukas Kranzelbinder und Schlagzeuger Herbert Pirker, umwehen einen die Stücke denn auch als schummrige Balladen oder schnittige Themenkosmen im Sinne eines imaginierten Bebop. Da ist Leben drin, und die Gesamtkonzeption ist auch nicht Zufall. Im Tüftelraum wurde nach getaner "Sessionarbeit" heftig gefeilt. Man soll die Neuheit in einem Zug durchhören können, wodurch der Eindruck "einer roadmovieartigen Reise entsteht", so Drummer Pirker.

Frei assoziieren

Die Dramaturgie ist dem Trio bei Alben wichtig. Live hingegen gehe es mehr um kathartisches Freispielen, "ohne zu hinterfragen", sagt Rom. Dieses Auskosten des improvisatorischen Augenblicks hängt nun aber auch mit der Verwandtschaft zusammen, welche das Trio mit Literat William S. Burroughs empfindet. Dessen "frei assoziativer Schreibstil hat inspiriert", erklärt Rom einen der außermusikalischen Einflüsse, der sich u. a. im Roman Naked Lunch vermittelt.

Verstörender Cronenberg

Von diesem her rührt übrigens der Bandname: "Er bezieht sich auf die 'Interzone' in David Cronenbergs Film Naked Lunch. Der Film, den wir über die Musik von Ornette Coleman, der auch beim Soundtrack mitwirkt, gefunden haben, hat uns sehr verstört und bei der Namensgebung inspiriert."

Der imaginäre Überbau der Musik ist damit nicht vollständig geschildert. Es fehlt die Kurze Geschichte der Menschheit von Yuval Noah Harari. In dieser thematisiert er "die Bedeutung von Mythen in Bezug auf die Entstehung unserer Gesellschaft", sagt Rom. "Unsere Gesellschaft funktioniert, weil wir alle an die gleichen Geschichten oder Erfindungen glauben, wie zum Beispiel Geld, Länder, Grenzen oder auch die Definition von Erfolg."

Sich neu definieren

Hielte man sich bisweilen "vor Augen, dass diese allgegenwärtigen Dinge nicht immer schon da gewesen sind, liefe man nicht so leicht Gefahr, sich über sie zu definieren". Rom habe dieses Buch jedenfalls gleichermaßen animiert wie Lynchs Serie Twin Peaks. Also: Wer Eternal Fiction (bei Traumton) hört, kann ausgiebig nach Bezügen von Tönen und nichtmusikliaschen Programmen suchen.

Was immer die drei längst international beachteten Großtalente an Geheimnissen in ihre Musik gepackt haben, es bleibt ihnen das lästige Thema Innovation jedoch hier nicht erspart. Es scheint allerdings nicht zu belasten. "Wir versuchen erst gar nicht, alles neu zu erfinden. Wir wissen, dass wir die Summe unserer Einflüsse und Erfahrungen sind und diese individuell umsetzen. Dadurch aber, dass alle drei bereit sind, große Risiken einzugehen, entstehen selbst nach zehn Jahren immer noch musikalische Situationen, die wir noch nie hatten", meint Rom. Von dem her "sehe ich für uns auch keinen Grund, jemals aufzuhören", sagt Lukas Kranzelbinder heiter.

Viel abgesagt

Auch nicht angesichts der allgemein tristen Lage bei Konzerten: "Für uns war die Situation, wie für alle, natürlich ein harter Schlag." Sie hatten geplant, "das Album im Sommer 2020 bei einer zweiwöchigen Kanada-Tour zu präsentieren". Daraus wurde nichts, und "auch andere Tourneen werden gerade abgesagt und verschoben".

Natürlich sieht sich Rom "mit der Anstellung in Linz in einer Luxussituation, über die ich dankbar bin und die leider viele Kolleginnen und Kollegen nicht haben". Schließlich ist der Bandleader – Jahrgang 1990 – junger Professor für Jazztrompete an der Bruckner-Uni. (Ljubiša Tošić, 9.2.2021)