Die Dichte der menschlichen Kommunikation hat durch die Medien, die in grauer Vorzeit einmal "Neue Medien" hießen, zweifellos zugenommen. Und während man es sich früher dreimal überlegte, einen Leserbrief über ein Unternehmen, über das man sich geärgert hatte, zu schreiben (und dann auch noch zu frankieren!), ist ein "Saftladen" oder "Betrügerfirma" schnell hingetippt. Und wieder einmal stellt sich die Frage: Wo kollidiert die Meinungsfreiheit der Schreiber mit den Rechten der Beschriebenen?

Die Geschichte mit dem Makler

Schauen wir uns das an einem konkreten Beispiel an: Die Eltern eines jungen Mannes gaben ihre Mietwohnung an einen vom Eigentümer beauftragten Immobilienmakler zurück und erzählten von diesem offenbar nicht angenehmen Erlebnis ihrem Sohn. Es hatte schon damit angefangen, dass der Makler die Eltern nicht mit Handschlag gegrüßt hatte (na ja – typisch Vor-Corona, jetzt würde einem das Gegenteil auffallen).

Sofort warf sich der Sohn für seine Eltern in die (virtuelle) Schlacht. Mit einem grimmigen "Nimm das, Elender!" (okay, das ist jetzt die Fantasie des Bloggers) versetzte er dem Makler auf der Bewertungsplattform von Google nur ein mickriges Sternchen und donnerte dem Maklerbüro folgende Einschätzung entgegen: "Sehr herablassende Umgangsweise gegenüber Kunden/Mietern. Makler beleidigt, bedroht und denunziert Mieter bei Wohnungsübergabe – ein absolut unprofessionelles Auftreten. Zum Glück gibt es auch andere Immobilienmakler, die Menschen mit Wertschätzung gegenübertreten." Der sensible Makler klagte auf Unterlassung und Schadenersatz.

Und dann begannen wie in jedem Gerichtsprozess die Mühen der Ebene, die dort "Beweisverfahren" genannt werden. "Herablassend" sei die Verweigerung des Handschlags gewesen, beleidigend die Bezeichnung des Vaters als "Dahergelaufener" (wozu es natürlich widersprechende Aussagen gab), eine Bedrohung konnte nicht festgestellt werden, die bloße Aussage, dass der Makler erklärt hatte, er wisse, wo die Eltern in Zukunft wohnen würden, war dazu zu dürftig (jedenfalls weniger eindeutig als "Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht"). Das sah für den Beklagten schon einmal nicht sehr gut aus.

Auch Online-Bewertungen können vor Gericht landen.
Foto: APA/AFP/BRENDAN SMIALOWSKI

Der OGH weiß schon, dass es heutzutage generell etwas heftiger zugeht: "Zwar sind angesichts der heutigen Reizüberflutung selbst überspitzte Formulierungen unter Umständen hinzunehmen, soweit kein massiver Wertungsexzess vorliegt" (also solange eine persönliche Wertung noch in einem sachlichen und angemessenen Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Sachverhalt steht), "aber der unwahre Vorwurf, jemanden beleidigt, bedroht und denunziert zu haben, kann allerdings auch in Bewertungen von Unternehmen auf Plattformen im Internet ebenso wenig hingenommen werden wie der unwahre Vorwurf sonstiger strafbarer Handlungen." (Anders als Politiker, die sich im täglichen Meinungskampf etwas mehr gefallen lassen müssen – aber die Unterstellung strafbaren Verhaltens auch nicht.)

Der Beklagte musste also seinen Kommentar von der Plattform entfernen und durfte derartige Äußerungen auch nicht wiederholen. Die gewünschten 2.000 Euro Schadenersatz bekam der Kläger allerdings nicht. Er stützte sich darauf, dass ihm wegen der erlittenen Rufschädigung immaterieller Schadenersatz zustünde, der Wert seines Unternehmens sei durch die Kommentare des Beklagten vermindert worden. Das war allerdings schon so theoretisch, dass es von vornherein zum Scheitern verurteilt war.

Die Gerichte machten aber auch noch eine interessante Fleißaufgabe: Sie stellten fest, dass "auf der Internetplattform neben den Bewertungen des Beklagten und dessen Vaters (ebenfalls ein Stern, jedoch ohne Beifügung eines Textes) mehrere weitere – teilweise sehr positive mit fünf Sternen, teilweise solche mit einem Stern und sehr negativem Text – Bewertungen vorhanden sind, woraus sich insgesamt ein Durchschnitt der Bewertungen von 3,2 Sternen ergibt; nähme man die beiden Bewertungen des Beklagten und dessen Vaters weg, läge der Durchschnitt der Bewertungen bei 3,8 Sternen. Die Bewertung des Beklagten hat sich somit wohl in einem nicht mehr messbaren Ausmaß ausgewirkt." Hören wir da ganz subtile richterliche Ironie durch?

Besser keine Beschimpfungen

Wie sagt John Goodman als Walter Sobchak in The Big Lebowski so schön? "Wir sind hier nicht in Vietnam, wir sind beim Bowling. Hier gibt es Regeln!" – und auf den Bewertungsplattformen ist es genauso.

Regel Nummer eins: Behauptete Tatsachen müssen stimmen, und das heißt in Gerichtserfahren: müssen auch beweisbar sein. Und wem das Gericht letztlich glaubt, ist nur selten vorhersehbar.

Regel Nummer zwei: Ja, persönliche Wertungen sind zulässig, müssen von anderen auch nicht geteilt werden, müssen aber nachvollziehbar sein. In unserem Fall: Es macht einen Unterschied, ob man einfach schreibt "Sehr herablassende Umgangsweise gegenüber Kunden/Mietern", oder: "Handschlag verweigert, das finde ich sehr herablassend" – dann kann man sich zwar denken, dass der Betreffende vielleicht überempfindlich ist, aber man weiß, wovon er redet, und exzessiv ist so eine Wertung auch nicht.

Und Regel Nummer drei: Beschimpfungen gehen gar nicht, und strafrechtliche Vorwürfe (bedrohen, Betrüger, Dieb et cetera – außer ein strafrechtlicher Tatbestand wurde wirklich erfüllt) auch nicht.

Also: Lassen Sie Ihrer Bewertungslust ruhig freien Lauf. Aber vor dem Klick auf "Posten" vielleicht doch noch einmal nachdenken. Oder Sie halten es mit Walter: "Ach vergiss es, Dude. Gehen wir bowlen." (Thomas Höhne, 11.2.2021)