Es ist eine Realität, mit der jedes größere Softwareprojekt konfrontiert ist: Da kann man so viele strukturelle Verbesserungen am eigenen Code vornehmen, wie man nur will – solange die Oberfläche gleich bleibt, glauben viele, es hat sich nichts getan. Das ist auch einer der Gründe dafür, warum Firmen wie Apple und Google regelmäßig am Design ihrer Betriebssysteme feilen – um den Nutzern den Eindruck eines "frischen" Looks zu vermitteln.

Umbau

Nachdem die oberflächlichen Änderungen in den vergangenen Android-Versionen eher in die Kategorie Feinschliff fielen, scheint nun wieder ein größeres Redesign anzustehen. Dies geht jedenfalls aus ersten Screenshots von Android 12 hervor, die XDA Developers zugespielt wurden. Quelle dafür sollen interne Dokumente sein, die Google seinen Partnern vorab zur Verfügung stellt, um über anstehende Neuerungen zu informieren. XDA hatte in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Zugriff auf solche Dokumente, die Chance, dass die Bilder echt sind, ist also sehr hoch.

So zeigt etwa einer der Screenshots einen neu gestalteten Benachrichtigungsbereich: Die einzelnen Kategorien sind klarer getrennt, die Rundungen bei den einzelnen Elementen deutlich verstärkt. Auch sonst wirkt das Design geräumiger, so sind etwa nur mehr vier statt sechs Einträgen für die Schnelleinstellungen zu sehen. Interessant ist auch, dass die Position von Datum und Uhrzeit in dieser Ansicht vertauscht wurde. An anderen Stellen sind neu gestaltete UI-Elemente – wie Auswahlknöpfe – sowie der Highlight-Farbe angepasste Icons zu sehen.

Neu gestalteter Benachrichtigungsbereich, neues Conversation-Widget und Privacy-Informationen zu Kamera und Mikrofon.
Grafik: Google / XDA Developers

Theming

Apropos: Das gezeigte Farbschema – mit einem beigen Look – sollte man nicht allzu ernst nehmen, ist doch bereits zuvor durchgesickert, dass Google an einem stark erweiterten Theming-System für Android arbeitet. Damit soll sich dann auch der Look vieler Apps anpassen lassen – samt der Möglichkeit, die Farben von Dritt-Apps zu verändern oder sie in einen Dark Mode zu zwingen. Ähnliches gibt es natürlich bereits bei so manchen Drittherstellern, die Aufnahme in den offiziellen Android-Quellcode würde dies aber vereinheitlichen.

Privacy

Ebenfalls sehr auffällig sind zwei neue Icons in der Statuszeile: Android bekommt nun offenbar auch – so wie es iOS bereits hat – Privacy-Indikatoren, die zeigen, wann Kamera und Mikrofon aktiviert sind. Zwar ist schon derzeit die Nutzung dieser Komponenten im Hintergrund nur dann möglich, wenn eine Benachrichtigung angezeigt wird. In Zukunft wird diese Information aber noch einmal expliziter – und vor allem auf den ersten Blick sichtbar. Die Farbe Grün symbolisiert dabei offenbar, dass eine der Komponenten gerade aktiv genutzt wird, Orange zeigt an, wenn die Nutzung vor kurzem beendet wurde. Ein Klick auf diesen Bereich liefert dann Details dazu, welche Apps jeweils dafür verantwortlich sind.

Ebenfalls interessant ist eine damit einhergehende Änderung der Privacy-Einstellungen: Dort soll künftig prominent die systemweite Deaktivierung von Kamera, Mikrofon sowie Standort angeboten werden. All das soll übrigens nicht Googles Android-Variante vorbehalten bleiben, sondern für sämtliche Hersteller verpflichtend werden, wie dem aktuellen Entwurf der Kompatibilitätsvorschriften für Android 12 zu entnehmen ist.

Widgets

Neues Interesse scheint Google am Widget-Support gefunden zu haben, dessen Entwicklung in den vergangenen Jahren weitgehend brachlag. So ist etwa ein neues "Conversations"-Widget zu sehen, das aktuelle Chats, Anrufe, aber auch wichtige Events in Hinblick auf einzelne Kontakte versammelt. Passend dazu soll es ein einheitliches "People Shortcuts"-System geben, in dem Avatar, Name sowie aktuelle Konversationen mit einer Person versammelt werden sollen.

Einige weitere Bilder aus dem Leak.
Grafik: Google / XDA Developers

Strukturelles

Bereits zuvor war zu hören, dass Google an einigen strukturellen Verbesserungen für sein Betriebssystem arbeitet. So soll es ein "App Hibernation" genanntes Feature geben, das den Platzverbrauch von nicht genutzten Apps auf ein Minimum reduziert – und diese nach einer gewissen Zeit komplett inaktiv schaltet. Zudem soll die Emoji-Unterstützung vom Betriebssystem entkoppelt werden. Damit könnten sich also neue Emojis künftig einfach via Play Store nachreichen lassen, bisher ist dafür ein großes System-Update vonnöten. Und auch die Möglichkeit, Apps zu gruppieren und gleichzeitig zu starten, soll ein fixer Bestandteil von Android werden.

Ausblick

Folgt Google dem Zeitplan des Vorjahres, könnte es eine erste Version von Android 12 bereits in wenigen Tagen zu sehen geben: Mitte Februar 2020 wurde die erste Developer Preview für Android 11 veröffentlicht. Allerdings bedeutet das nicht, dass in dieser bereits die erwähnten optischen Änderungen enthalten sind. Üblicherweise reicht Google diese erst bei späteren Testversionen nach, meist im Rahmen der eigenen Entwicklerkonferenz I/O. Allerdings muss sich erst zeigen, ob man sich heuer an diese Regel hält. Immerhin ist derzeit noch unklar, ob und in welcher Form – und auch wann – die Google I/O überhaupt stattfindet. Jedenfalls hat sich das Unternehmen bislang noch nicht zu dieser Frage geäußert. (Andreas Proschofsky, 9.2.2021)