In Verhandlungen zwischen dem lothringischen und dem habsburgischen Hof war schon lange eine Verbindung zwischen beiden Häusern intensiv ins Auge gefasst worden. Der zukünftige Ehemann einer Erzherzogin musste ja sehr hohe Voraussetzungen mitbringen, umso mehr, wenn es sich um eine zukünftige Herrscherin handelte. Und dass Maria Theresia eine solche werden und die Pragmatische Sanktion in Kraft treten würde, war in den Zwanzigerjahren des 18. Jahrhunderts allmählich abzusehen.

Die "Pragmatische Sanktion" ist ein Hausgesetz, das Kaiser Karl VI. nach den Erfahrungen aus dem Spanischen Erbfolgekrieg 1713 erließ. Es legt die Unteilbarkeit und Untrennbarkeit der habsburgischen Länder sowie eine einheitliche Erbfolgeregelung fest. Bei den Habsburgern war die weibliche Erbfolge nicht prinzipiell ausgeschlossen, trat aber nur bei Aussterben des Geschlechts im Mannesstamm in Kraft. Das neue Hausgesetz regelte nun den Vorrang der weiblichen Nachkommen der regierenden Linie vor allen anderen, auch älteren Linien.

Der Erbprinz von Lothringen am kaiserlichen Hof

Franz Stephan erfüllte alle Voraussetzungen, die an einen Ehemann der zukünftigen Herrscherin über die österreichischen Erblande gestellt wurden: Er stammte aus einem der ältesten Geschlechter des römisch-deutschen Reiches, sein Stammbaum war untadelig. Da seine Großmutter eine Halbschwester des habsburgischen Kaisers Leopold I. war, hatte er eine stattliche Anzahl von Habsburgern in seiner Ahnenreihe. Sein Großvater Karl V. von Lothringen hatte während der Belagerung Wiens durch die Osmanen 1683 den Oberbefehl über das kaiserliche Heer. Sein Vater war im Exil am Wiener Hof aufgewachsen, da Lothringen zeitweise von Frankreich besetzt war, und hatte bald ehrgeizige Pläne für eine dynastische Verbindung zwischen beiden Häusern entwickelt. Vorgesehen dafür war ursprünglich sein ältester Sohn und Erbprinz, Leopold. Dieser starb jedoch an den Blattern, so dass der nächste Sohn und nunmehrige Erbprinz Franz Stephan einsprang und 1723 Kaiser Karl VI. vorgestellt wurde.

Der Kaiser fand Gefallen an dem hübschen, wohlerzogenen und fröhlichen Fünfzehnjährigen, dem er bereits nach kurzer Zeit den Orden vom Goldenen Vlies verlieh. Franz Stephan erhielt in der Hofburg in Wien Quartier und wurde für die nächsten sechs Jahre ein enger Jagdgefährte des Kaisers, der ihn wie einen Sohn behandelte, wahrscheinlich war er auch ein jugendlicher Freund der beiden kleinen Töchter des Kaisers. Die um neun Jahre jüngere Maria Theresia erinnerte sich viel später, bereits als Witwe, vielleicht nostalgisch verklärt: "Er war das einzige Objekt all meinen Handelns und meiner Gefühle, seit ich sechs war"1. Quellen über das Verhältnis der beiden aus dieser Zeit gibt es nicht, andrerseits liegen Korrespondenzen seiner Erzieher vor, die den nicht altersgemäßen Umgang des Siebzehnjährigen mit unverheirateten und verheirateten Damen beklagen.

Wappen des Herzogtums Lothringen mit Helmkleinod.
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"Keine Unterschrift, keine Erzherzogin"

1729 starb Franz Stephans Vater, der regierende Herzog von Lothringen, und Franz Stephan kehrte als Herzog Franz III. in seine Heimat zurück, verließ sie allerdings bereits 1731 aus politischen Gründen wieder, um eine lange Kavalierstour anzutreten, die ihn in die österreichischen Niederlande, nach England und Preußen führte und die ihm Gelegenheit zur Anknüpfung wichtiger Kontakte für seine späteren wirtschaftlichen Unternehmungen bot. Er sollte sein Herzogtum nie wiedersehen.

Ein Jahr später rief ihn der Kaiser, der ihn längst, wenn auch nicht offiziell, fest als Schwiegersohn ins Auge gefasst hatte, nach Wien zurück und setzte ihn als ungarischen Statthalter mit Sitz in Preßburg ein. Befragt wurde der junge Herzog dazu ebenso wenig wie zu den Ländertauschplänen, die sich infolge des Polnischen Erbfolgekriegs, aus dem Frankreich als Sieger hervorgegangen war, ergaben. Franz Stephan musste sein Land Lothringen an den vertriebenen polnischen König Stanislaw Leszczyński, Schwiegervater des französischen Königs, abtreten und wurde dafür mit der Toskana entschädigt.

Eine treibende Kraft in den Verhandlungen zur Abtretung Lothringens war der Staatssekretär Johann Christoph von Bartenstein, der von Frankreich hunderttausend Gulden Spesenersatz erhielt. Ihm wird das Ultimatum an Franz Stephan "Keine Unterschrift, keine Erzherzogin" zugeschrieben, welches zwar der Grundlage entbehrt, da die Hochzeit lange vor der Unterschrift der Abtretungsakte im Februar 1737 erfolgte, aber die Situation, in der sich Franz Stephan befand, gut charakterisiert.

Die Hochzeit

Der Hochzeit zwischen Erzherzogin Maria Theresia und Herzog Franz Stephan stand nun nichts mehr im Wege. Mitte Dezember 1735 waren die Vorbereitungen fast abgeschlossen und der wegen der Verwandtschaftsverhältnisse nötige päpstliche Dispens erteilt, so dass die geplante Verlobung realisiert werden konnte.

Im Heiratsvertrag wurden alle finanziellen Angelegenheiten minutiös geregelt. Neben anderen Aspekten wurde die Mitgift der Braut auf 150.000 Gulden festgelegt, ebenso hoch war die Widerlage des Bräutigams, jenes Gegenstück zur Mitgift, das gegebenenfalls der Witwenversorgung dienen soll.

Am 31.Jänner 1736 fand die offizielle Brautwerbung statt. Es war eine pompöse Zeremonie, der Brautwerber Franz Stephan erschien, in ein kostbares, mit Diamanten besetztes Gewand gekleidet, in den Gemächern der Kaiserin, wo ihn die Braut Maria Theresia erwartete. Nachdem er seinen Antrag vorgebracht hatte und dieser angenommen worden war, überreichte er ihr sein diamantenbesetztes Porträt und durfte ihre Hand küssen.

Die Zeitspanne zwischen Brautwerbung und Hochzeit war sehr kurz, da man die Feierlichkeiten noch vor Beginn der Fastenzeit durchführen wollte. Der Termin wurde auf den 12. Februar, den Sonntag vor Aschermittwoch, festgesetzt. Vor der Hochzeit mussten die Brautleute gemäß den Statuten der Pragmatischen Sanktion Verzichtserklärungen unterschreiben. Die Erzherzogin musste sich verpflichten, in der Erbfolge zurückzustehen, falls der Kaiser noch einen männlichen Erben bekommen würde, der Herzog musste geloben, für seine Person nie einen Anspruch auf die habsburgischen Erbländer zu erheben.

Hochzeitstafel.
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Dem Protokoll gemäß verließ der Bräutigam bis zur Hochzeit Wien und zog sich nach Preßburg zurück. Viele Briefe an den "villgeliebten Bräutigamb", ihr "Mäusl", und an Maria Theresia, "die (als) allerliebste braut persuadirt sein wird, das kein Bräutigamb in der weld mit mehrere ergebenheith und respect seyn kann ... "2, gingen hin und her.

Am 12. Februar 1736 traf der Bräutigam aus Preßburg ein, um sechs Uhr abends begab sich der Hochzeitszug durch den damals noch vorhandenen alten Augustinergang, der die Hofburg mit der Augustinerkirche verband, zur von unzähligen Kerzen erleuchteten Hofkirche. Angeführt von den höchsten kaiserlichen und lothringischen Herren sowie den Rittern des Goldenen Vlieses kam Herzog Franz Stephan, gekleidet in "ein Silber stuckenes mantelkleyd mit dergleichen strümpfen und schuechen…ein weissen huth mit der gleichen federn undt villen geschmuck geziert"3, in Begleitung des Kaisers um sechs Uhr abends in der Augustinerkirche an. Danach folgte die "durchlauchtigste Brauth"4, die, ebenfalls ganz in Weiß gekleidet und kostbar geschmückt, von den zwei Kaiserinnen, ihrer Mutter Kaiserin Elisabeth Christine und Wilhelmine Amalie, der Witwe Kaiser Josephs I., geführt wurde. Ihre Schleppe wurde von ihrer Erzieherin, der Gräfin Fuchs, getragen. Die Trauung nahm der päpstliche Nuntius vor, was den Erzbischof von Wien, Kardinal Kollonitsch, so kränkte, dass er aus "Krankheitsgründen" nicht an der Trauung teilnahm.

Der Weg zum Kaiser

Beim folgenden Festmahl saß nur die engste Familie an der Hochzeitstafel, für die anderen geladenen Gäste waren eigene Tische in anderen Räumlichkeiten gedeckt. Schon am nächsten Morgen wurden die Festlichkeiten fortgesetzt, nach einer Morgenmesse und dem Mittagmahl bei der Kaiserin fand am Abend eine Opernaufführung statt. Am Faschingdienstag gab es, wie zum Faschingsausklang üblich, ein Maskenfest und ein Galadinner in der Hofburg, ehe am Aschermittwoch die Fastenzeit anbrach. Der Alltag und eine, wie die Chroniken vermerken, glückliche Ehe begann.

Als Kaiser Karl VI. 1740 starb, trat Erzherzogin Maria Theresia in den österreichischen Ländern die Nachfolge an. Den vakanten Thron des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, auf dem sie gerne ihren Mann gesehen hätte, errang aber das erste Mal seit dreihundert Jahren kein Habsburger, sondern Kurfürst Karl Albrecht von Bayern. Er wurde am 12. Februar 1742, dem sechsten Hochzeitstag Maria Theresias und Franz Stephans, als Kaiser Karl VII. gekrönt. Erst nach dem frühen Tod des Wittelsbachers 1745 errang Franz Stephan als Kaiser Franz I. die Kaiserkrone.

Familienporträt Maria Theresia mit Franz Stephan von Lothringen und Erzherzog Joseph in Husarenunform.
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Zum Schluss die gute Nachricht: Das erste Reiterstandbild Wiens, aus Blei gegossen von Balthasar Moll, zeigt Kaiser Franz I. Es steht heute im Burggarten, wohin es von seinem ursprünglichen Standort auf der Löwelbastei vor deren Abriss transferiert wurde. Die Lothringerstraße, deren Gebäude mit ungeraden Nummern im ersten und jene mit geraden im dritten und vierten Bezirk liegen, ist nach ihm benannt. Sein Vater, Herzog Karl V., wird mit der Karl-Lothringer-Straße im 21. Bezirk in Stammersdorf geehrt.

Die bekannteste Darstellung Franz Stephans ist das Kaiserbild am Treppenabsatz des Naturhistorischen Museums. Es zeigt den Kaiser im Kreis seiner Berater. Aber das ist eine andere Geschichte. (Friederike Kraus, 12.2.2021)