Der große Andrang während des Lockdowns rückte die niederösterreichischen Skigebiete in den öffentlichen Fokus.

STANDARD: Ist der Skisport noch zu retten?

Redl: In Stadtnähe ist das vermeintlich harmlose Rodeln wohl das neue Skifahren. Aber auch das sogenannte Pistengehen, also Tourenskilauf in Skigebieten, wird beliebter. Es zeichnet sich eine neue, bunte Bergkultur ab, bei der es vor allem um das Rausgehen in die Natur, aber immer auch um Zugehörigkeit und Prestige geht. Alpinskilauf ist dann nur mehr eine Spielart, nicht allein selig machende Religion.

STANDARD: Die Seilbahnbetriebe in Niederösterreich haben allesamt seit 24. Dezember geöffnet. Machen die gerade das Geschäft ihres Lebens, während alle anderen Skigebiete tiefrote Zahlen schreiben?

Markus Redl: "Die positiven Aspekte des Skifahrens werden in der medialen Diskussion unterbelichtet. "
Foto: NÖ-BBG/Lechner

Redl: Nein, auch für uns ist die Situation wirtschaftlich schwierig, die Kontingentierung auf rund die Hälfte der üblichen Gäste drückt natürlich die Erlöse, während der Personalaufwand aufgrund der Sicherheitsmaßnahmen steigt. Wir sind in dieser schwierigen Situation Nahversorger für alle, die das Skifahren wirklich lieben. Vielleicht bleiben uns einige neue Kunden erhalten. Jedenfalls werden diese Menschen während der Pandemie dadurch gestärkt, dass sie bei uns Ski fahren können. Man braucht den Gästen nur ins Gesicht zu schauen, wenn sie sich nach drei, vier Stunden wieder auf den Heimweg machen.

STANDARD: Wie ist ein geregelter Skibetrieb in niederen Lagen, teilweise sogar unterhalb von tausend Meter Seehöhe, überhaupt noch möglich?

Redl: Ohne technische Beschneiung geht auch heute schon nichts mehr. Wir sind dazu übergegangen, die Pistenfläche zu reduzieren und die sogenannte Schlagkraft der Beschneiungsanlage zu erhöhen. Die eher kurzen Kälteperioden im November und Anfang Dezember müssen genutzt werden, um die wichtigsten Pisten in den Weihnachtsferien parat zu haben. Die November- und Dezembermonate waren in den 2010er-Jahren teilweise extrem warm, mancherorts vier oder fünf Grad Celsius über dem Mittel von 1981 bis 2010, aber selbst unter diesen Bedingungen können wir zwischendurch Schnee produzieren. Allerdings muss aufgrund von zunehmenden Starkregenereignissen die Grundbeschneiung heute von Haus aus dicker sein.

STANDARD: Das hört sich nicht nach rosigen Zukunftsaussichten an.

Redl: Nein, deshalb sind wir in Niederösterreich auch seit zehn Jahren dabei, unsere Skigebiete in ganzjährig genutzte Bergerlebniszentren weiterzuentwickeln. In St. Corona am Wechsel haben wir 2014 die Anlagen des veralteten Skigebietes abgebaut und beim Neustart ganz auf die Familien mit kleinen Kindern gesetzt. Und das eben nicht nur in der relativ kurzen Skisaison, sondern mit Motorikpark, Sommerrodelbahn und Mountainbike-Trails möglichst ganzjährig.

Die Erlebnisarena in St. Corona am Wechsel.
Foto: Redl

STANDARD: Zwingt der Klimawandel trotz aller Bemühungen kleine Skigebiete bald reihenweise zum Aufgeben?

Redl: Der größte Treiber ist gar nicht der Klimawandel an und für sich, sondern die sehr hohen Erwartungen der Gäste, besonders was die Schneequalität anbelangt. Vereinzelte apere Stellen oder gar ein paar Steine auf der Piste sind heutzutage schon ein großes Malheur. Dazu kommt, dass die Seilbahninfrastruktur in Österreich weltweit führend ist. Das ist kein einfaches Konkurrenzumfeld.

STANDARD: Hat man aber nicht gerade bei großen Skigebieten oft den Eindruck, dass zuerst an die technischen Anlagen und erst viel später an die Kundenbedürfnisse gedacht wird?

Redl: Das würde dem Klischee der technikverliebten Seilbahner entsprechen, es ist aber in Skigebieten wie Serfaus-Fiss-Ladis schon unheimlich viel passiert. Dort schaut das praktische Skidepot aus wie der Umkleidebereich einer edlen Therme. Den größten Respekt haben wir in der Branche vor dem demografischen Wandel. Skifahrer müssten im Alter wesentlich länger aktiv bleiben, um dünnere junge Jahrgänge zu kompensieren.

STANDARD: Schmälert nicht auch ein hoher Migrationsanteil in den Städten das Skifahrerpotenzial?

Redl: Nicht unbedingt. Ein Drittel aller Volksschulkinder in Wien und Niederösterreich kommt zumindest einmal in den Genuss unserer Skitage. Sie werden auch mit einem Gutschein für den Wiederbesuch in Begleitung der Eltern beschenkt. Der wird aber leider kaum je eingelöst. Da frage ich mich dann oft, ob unser Winterangebot für Familien aus der Großstadt nicht noch viel mehr auf Rodeln, Bobfahren und im Schnee spielen abzielen sollte.

STANDARD: Ist die Kritik an der Möglichkeit des Skifahrens in der Krise mit ihren Lockdowns verständlich?

Redl: Der Gesundheitsminister hält es strukturell für möglich, es gibt keine Clusterbildungen. Die Menschen machen das freiwillig, aus einem inneren Antrieb heraus. Die positiven Aspekte des Skifahrens werden in der medialen Diskussion unterbelichtet.

STANDARD: Der Imageschaden durch Ischgl und Jochberg reicht bis nach Niederösterreich. Ihre Meinung zu den Vorkommnissen in Tirol?

Redl: Ich glaube, es macht keinen Sinn, sich als Branche auseinanderdividieren zu lassen. Was haben diese Geschichten mit anderen Gebieten zu tun? Was hat das mit der Aktivität des Skifahrens an sich zu tun?

STANDARD: Am Semmering gab es über die Weihnachtsfeiertage einen Massenansturm.

Redl: Die große Mehrheit der Ausflugsgäste gehörte damals nicht zum Kontingent des Skigebietes Zauberberg. Und obwohl wir dort nicht Eigentümer sind, haben wir Troubleshooting betrieben und Absperrgitter und Security-Kräfte organisiert. Es waren sowohl in den Weihnachts- als auch den Semesterferien auch andere Skigebiete in Niederösterreich sehr gut besucht, das Konzept der Kontingentierung mit Onlinetickets hat größtenteils sehr gut funktioniert.

STANDARD: Wann waren Sie das letzte Mal Ski fahren?

Redl: Am Dienstag vor einer Woche, eine spontane Skitour auf den Schwarzkogel bei Mürzsteg. Wir waren im Familienkreis unterwegs und haben den ganzen Nachmittag keine anderen Menschen getroffen. Auch für die Kinder ein berückend schönes Erlebnis, ein kleines Abenteuer praktisch vor der Haustür. (Florian Vetter, 11.2.2021)