Reisen von und nach Tirol sind künftig nur mehr mit negativem Corona-Test erlaubt.

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Mancherorts in Tirol ist das Unverständnis angesichts der verschärften Maßnahmen im Bundesland groß. Die Sonderbehandlung sei ungerecht, heißt es – schließlich liege die Sieben-Tage-Inzidenz in Tirol unter jener der meisten anderen Bundesländer. Und bisher galt in der Pandemie doch immer: Lockdowns werden verhängt, um das Gesundheitssystem und die Intensivbetten zu schonen. Warum also jetzt nicht in ganz Österreich lockern? Warum Reisebeschränkungen nur für Tirol?

Diese Frage stellen sich nicht nur Tirolerinnen und Tiroler, sondern auch einige Experten. Sie befürchten, wenn in Tirol jetzt scharfe Maßnahmen verhängt werden, obwohl die Bevölkerung sie nicht nachvollziehen kann, werde die Corona-Müdigkeit noch weiter steigen – und mit ihr die Infektionszahlen.

Die Covid-19-Inzidenzen in Österreich nach Bezirken.
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Allerdings haben sich in den letzten Wochen die Regeln dieser Pandemie verändert. Auf einmal ist es nicht mehr allein die Zahl der Neuinfektionen, die zählt – es kommt darauf an, womit sich die Menschen infizieren. Konkret: Handelt es sich dabei um die südafrikanische (B.1.351) oder die britische Virusvariante (B.1.1.7)? Erstere wurde in Tirol verstärkt nachgewiesen. Laut einem "Mutationsbericht" der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) gab es bis Montag 163 bestätigte Fälle der südafrikanischen Mutation in Tirol, laut Regierung sind darunter 120 aktive Fälle. Befürchtet wird eine unkontrollierte Ausbreitung dieser ansteckenderen Variante von Tirol aus. Das Problem: Der Impfstoff von Astra Zeneca, mit dem ein Großteil der Menschen in Österreich geimpft werden soll, ist weniger wirksam gegen diese Virusvariante.

Nur vereinzelt Fälle

In allen anderen Bundesländern, obwohl dort die Inzidenzen teilweise höher liegen, gibt es derzeit hingegen kaum Meldungen dieser Variante – bisher waren es laut Ages nur in der Steiermark und in Wien vereinzelte Fälle.

Schärfere Maßnahmen stehen in den anderen Bundesländern auch nicht zur Diskussion. Doch warum eigentlich nicht? Dass Fallzahlen durchaus unterschiedliche Aussagekraft über das Infektionsgeschehen und dessen Interpretation haben können, zeigt das Beispiel Salzburg. Das Bundesland liegt mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 148 immer noch weit vor Tirol und auch allen anderen Bundesländern. Im Lungau, im Pongau und im Tennengau liegt man gar jeweils über der Marke von 230. Allerdings gebe es keinen einzigen Verdachtsfall der als besonders gefährlich geltenden südafrikanischen und auch keinen der brasilianischen Mutation des Virus, betont ein Sprecher der Landesregierung. Landessanitätsdirektorin Petra Juhasz hält es aber für durchaus wahrscheinlich, dass auch die südafrikanische Variante auf Salzburg – von Tirol kommend – "überspringe".

Bei der britischen Mutation halte man derzeit bei 33 bestätigten Fällen. Zwei Drittel davon seien im Pongau festgestellt worden. Das deckt sich mit Abwasseranalysen des Innsbrucker Instituts für Mikrobiologie, das seit Monaten regelmäßig Salzburger Kläranlagen untersucht. Im Pongauer St. Johann stammt aktuell jeder zweite Virusrest von der britischen Mutation – südafrikanische Varianten wurden auch hier nicht gefunden.

Rückschlüsse nicht möglich

Haben sich also 50 Prozent der Infizierten mit der britischen Mutation angesteckt? Nein, Rückschlüsse auf die Zahl der Infizierten seien durch diese Untersuchungen nicht möglich, erläutert man bei der Landesregierung. Denn: "Jeder Infizierte scheidet völlig unterschiedliche Mengen an Virusresten aus."

Ähnlich ist die Situation in Kärnten, wo die Sieben-Tage-Inzidenz ebenfalls hoch ist: "Wir haben bisher keinen einzigen Fall der südafrikanischen Mutationsvariante", sagt Gerd Kurath, Covid-Sprecher der Kärntner Landesregierung. Deshalb seien auch keine drastischen Maßnahmen geplant. Dennoch: Der Bezirk Hermagor hat ein Problem, denn er ist zahlenmäßig Spitzenreiter in Österreich. Die sehr hohe Inzidenzrate von 360 ist in erster Linie auf die Verbreitung der britischen Mutation zurückzuführen. Eine Quarantäne des Bezirks sei aber noch nicht wirklich diskutiert worden, heißt es.

Zahlen konstant

Die bisherigen Fälle mit der Mutation seien in Familienverbänden diagnostiziert worden, die Höhe der Zahlen bleibe bisher aber relativ konstant. Als aktuelle Maßnahme werden in Hermagor nun auch Kontaktpersonen K2 einem verpflichtenden Test unterzogen, so Kurath.

"Ansonsten können wir nur an die Bevölkerung auch in Hermagor dringend appellieren, sich strikt an die Regeln zu halten und etwa keine privaten Partys zu feiern", heißt es unterstützend aus dem Büro des Landeshauptmanns Peter Kaiser (SPÖ). Mit dem kritischen Nachsatz, dass mit den Öffnungen nach dem Lockdown nun leider doch wieder einiges möglich sei. (Walter Müller, Thomas Neuhold, Bernadette Redl, 10.2.2021)