Neos-Lab-Direktor Lukas Sustala kritisiert in seinem Gastkommentar die Corona-Finanzhilfen von Finanzminister Gernot Blümel. Andere Länder würden besser die Krise durchstehen. Von ihnen sollte man lernen.

Der größte wirtschaftliche Einbruch der Zweiten Republik. Rekordarbeitslosigkeit. Noch immer rund 450.000 Menschen in Kurzarbeit. 23 Milliarden Euro Defizit im Bund. Was auf den ersten und auch auf den zweiten Blick dramatisch aussieht, wird in Österreich seit Monaten anders dargestellt: "Die Hilfen können sich sehen lassen" und "die Hilfen wirken", sagte etwa Finanzminister Gernot Blümel bei einer der vielen Regierungspressekonferenzen, zuletzt am 9. Februar, und bleibt damit seiner Kommunikationslinie treu. Seit dem Sommer 2020 sagt er in nahezu jedes Mikrofon, dass die Hilfen in Österreich "top" seien, dass man zur "Spitze" in Europa zähle, dass kein Land so viel unterstütze.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) lobt sich gern selbst für seine Corona-Krisenpolitik. Zu Recht oder eher doch nicht?
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Allein mittlerweile ist dieser Spin längst von der Realität überholt. Dass Österreich im internationalen Vergleich viel Geld in Form von Wirtschaftshilfen versprochen hat, stimmt zwar. Doch die Fragen nach dem Warum und dem Wie sind wichtiger als die Frage nach dem Wie viel. Tatsächlich gibt die österreichische Bundesregierung im Namen ihrer Steuerzahler auf dem Papier wohl sehr viel Geld in dieser Pandemie aus. Bis zum 15. Jänner sind rund 23 Milliarden Euro an Stundungen, Haftungen oder Förderungen wirksam genehmigt oder überwiesen worden. Das ist viel Geld, immerhin so viel, wie der Bund jährlich ungefähr für die Pensionsversicherung zuschießt und für die Beamtenpensionen aufwendet.

Und dennoch ist der wirtschaftliche Einbruch extrem tief. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb jüngst von einer "brutalen Rezession" in Österreich, während die Schweiz ein "kleines Wirtschaftswunder" erlebe. Die Wirtschaft ist wohl hierzulande 2020 um 7,5 Prozent geschrumpft, in der Schweiz beträgt das Minus nur drei Prozent. In Deutschland sind es rund fünf gewesen. Dass sich Österreich seit November mehr oder minder im harten Lockdown befunden hat, hat die wirtschaftliche Krise erheblich vertieft – und damit natürlich auch die Kosten für Staatshilfen in die Höhe getrieben. Dass so viele Mitarbeiter in Kurzarbeit sind, ist auch eine Folge der starken Einschränkungen im Handel.

Nicht gut aufgestellt

Wenn sich also Finanzminister Blümel aktuell laufend dafür lobt, "top" bei den Hilfen zu sein – also viel Geld auszugeben, um Unternehmen und Arbeitnehmer zu stützen –, dann ist das fast Schadenfreude. Es ist, als würde sich die freiwillige Feuerwehr damit brüsten, besonders oft zu Feuern gerufen zu werden, und dabei geflissentlich übersieht, dass man einen Pyromanen in den eigenen Reihen hat. Denn natürlich ist es kein Zeichen für eine besonders tolle Wirtschaftspolitik im Vergleich zu Dänemark, Schweden oder Deutschland, wenn die auszuzahlenden Corona-Hilfen besonders hoch sind. Es ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Hilfen nicht gut aufgestellt oder zu bürokratisch sind – allerdings eben auch, dass die Pandemie Österreich in eine besonders tiefe Krise gestürzt hat.

Die Art und Weise, wie Gesundheits- und Wirtschaftspolitik durch die vergangenen Monate gestolpert sind, war extrem teuer. Nicht nur dass die zweite Welle an Infektionen ab Oktober vor allem in den Altenheimen viele Menschenleben gefordert hat. Auch die Kollateralschäden der Lockdowns werden immer sichtbarer: die Zunahme von psychischen Belastungen in der Bevölkerung, überfüllte Kinderpsychiatrien, eine sehr tiefe Rezession, ein vergleichsweise starker Anstieg von Arbeitslosigkeit, ein abnehmendes Vertrauen in die Politik. Die positiven Effekte von Ausgangsbeschränkungen und Geschäftsschließungen haben sukzessive ab-, die negativen Folgen hingegen zugenommen.

Und so gibt der Finanzminister derzeit mit beiden Händen das Geld aus, aber die Wirtschaft steht aktuell in einigen Branchen weiter mit leeren Händen da. Umso wichtiger wäre es, dass es einen grundlegenden Neustart in der Anti-Corona-Politik gibt. Die globale Pandemie bietet dabei auch die Chance, von den 195 Ländern zu lernen, die gerade Ähnliches durchmachen wie Österreich.

Von anderen lernen

Den Blick über den Tellerrand sollte man nicht darum werfen, um sich die Datenpunkte zu suchen, die Österreich besonders gut dastehen lassen. Wir müssen den Blick darauf richten, was besonders gut woanders funktioniert. Wir könnten von Dänemark lernen, wie man die Wirtschaftshilfen effektiv und transparent aufstellt (und einen Impfplan aufsetzt, der seinen Namen verdient), von der Schweiz, wie man schnell Überbrückungskredite gewährt, oder von Schweden, wie man die Schaffung neuer Arbeitsplätze fördert. Von Finnland könnte man sich abschauen, wie das Homeschooling mithilfe von Apps und anderen digitalen Werkzeugen verbessert und damit die Ungleichheit bei den Bildungserfolgen verhindert werden kann. Von asiatischen Ländern ließe sich lernen, wie die Kontaktverfolgung und die regionale Differenzierung bei den Maßnahmen effizienter gestaltet werden könnte.

Es ist tatsächlich der einzige Vorteil einer globalen Pandemie, dass man von unzähligen Politikversuchen und Strategien gegen die Auswirkungen des Virus lernen kann. Der Lernerfolg aus den Erfahrungen anderer Länder kann Hilfe wirklich wirksamer machen, hingegen wird die Freude darüber, wie viel Geld und Ressourcen die pandemiebedingten Schäden verschlingen werden, eine kurze sein. (Lukas Sustala, 10.2.2021)