Die Erbostheit, mit der sich Tiroler Politiker und Vertreter des Kammerwesens jegliche Einmischung aus Wien verbeten haben, war absurd. Die Präpotenz, mit der Fakten geleugnet wurden, war verblüffend. Der Gestus, mit dem ein Tiroler Freiheitskampf heraufbeschworen werden sollte, war lächerlich. Die Ignoranz der Tiroler Hoteliers und Seilbahnbetreiber, die nur aufs Geldverdienen schauen, tat schon weh.

Jetzt ist eingetreten, was die Tiroler so gefürchtet haben: Der Bund mischt sich ein, der Freiheitskampf ist verloren. Die Regierung in Wien gibt vor, was zu tun ist. Ein Bundesland wird abgeschottet. Aus Tirol kommt man nur mit einem negativen Test heraus. Das ist jetzt "besprochen", wie Bundeskanzler Sebastian Kurz das vorsichtig formuliert hat.

Die trotzig an den Tag gelegte Uneinsichtigkeit von Landeshauptmann Günther Platter war nicht nur ärgerlich, sie ist auch gefährlich. Es geht nicht darum, den Tirolern die Schuld zuzuschieben oder ihnen zu schaden. Es ist richtig, dass andere Bundesländer und andere Bezirke weitaus höhere Infektionszahlen haben. Auch andere Länder haben Handlungsbedarf, das ist unbestritten.

Es ist eingetreten, was die Tiroler befürchtet haben: Das Bundesland darf man künftig nur noch mit negativem Test verlassen.
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Das Spezielle an der Tiroler Situation ist die südafrikanische Virusmutation B.1.351, die als besonders gefährlich gilt und die im Bezirk Schwarz ungewöhnlich häufig auftritt, warum auch immer. Es muss alles unternommen werden, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern oder wenigstens zu verlangsamen. Da ist Eile geboten, auch weil der Impfstoff von Astra Zeneca bei dieser Virusvariante wenig Wirkung haben dürfte. Dass man sich aus Rücksichtnahme auf die Tiroler Verfasstheit dennoch bis Freitag Zeit lässt, ist schon etwas gruselig.

Schlechte Seiten des Föderalismus

Die Wehleidigkeit, mit der Tiroler Politiker auf "Einmischung" reagieren, offenbart die schlechtesten Seiten des Föderalismus. Im Idealfall würden Bund und Länder intensiv zusammenarbeiten und gemeinsam alle Möglichkeiten ausreizen, die es auf den verschiedenen Ebenen gibt, bis hinunter in die Gemeinden. Tirol hat den Spielraum, den es hätte, nicht genutzt und mit seiner Hinhaltetaktik genau das provoziert, was Platter und Co partout nicht wollten: dass ihnen die in Wien sagen, was zu tun ist. Diese Teilentmündigung haben sie sich selbst zuzuschreiben.

Sehr intelligent und weitblickend war das Verhalten der Vertreter Tirols und derjenigen, die sich dafür halten, auch nicht: Sie riskieren es mutwillig, das über Jahrzehnte mühsam aufgebaute Image als attraktives, vielseitiges und kerniges Tourismusland nachhaltig zu zerstören. Krisenmanagement können sie in Tirol nicht. Das steht fest.

Die Tiroler sind zwar ganz besondere Sturschädel, in ihrer Abneigung gegen alles, was aus Wien kommt, sind sie aber nicht allein. Auch andere Länder sehen den Föderalismus in erster Linie als ständige Machtprobe mit dem Bund. Dass die Wiener und Burgenländer in Teilbereichen andere Maßnahmen umsetzen als die Kärntner oder Salzburger, wäre ja durchaus sinnvoll, wenn sich daraus ein großes, gemeinsames Ganzes ergibt. Was aber praktiziert wird, ist allzu oft ein Gegeneinander, bei dem sich die Maßnahmen nicht ergänzen, sondern widersprechen.

Das ist unsere gelernte und spezielle Ausprägung des Föderalismus, so haben wir es immer schon gemacht. Es wäre im Interesse aller, vor allem der Bürger, das rasch und gründlich zu ändern. In Wien, in Innsbruck ganz besonders und überall anders auch. Ja, auch in St. Pölten. (Michael Völker, 9.2.2021)