ORF-Chef Alexander Wrabetz sieht in seiner Strategie bis 2025 vor, wesentliche Inhalte des für Ende 2021 geplanten ORF-Players hinter eine GIS-Registrierungsschranke zu stellen.

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Das ORF-Strategiepapier für die nächsten fünf Jahre war noch keine acht Stunden beschlossen, da ruderte Alexander Wrabetz schon wieder ein bisschen zurück. Nein, FM4 müsse sich nicht aus dem klassischen Rundfunk verabschieden und zum Streamingangebot mutieren, versicherte der ORF-Generaldirektor am späten Nachmittag des 4. Dezember 2020: "Nein, daran denke ich nicht."

Am Vormittag hatten die Stiftungsräte Wrabetz’ ORF-Strategiepapier bis 2025 einstimmig abgenickt. Das Papier lässt die Zukunft des alternativszenigen ORF-Senders zumindest offen: "Die strategische Positionierung von FM4 ist zu überprüfen und im Hinblick auf eine Migration in die Sound/ Podcast-Plattform zu entscheiden." Die "Sound/Podcast-Plattform" ist ein Element der geplanten Streamingplattform "ORF-Player". Sie steht – wie vielfach berichtet – im Mittelpunkt des Strategiepapiers. 2021 soll der Player starten, möglichst vor der Bestellung des nächsten ORF-Generaldirektors am 10. August.

Mit einer Gesetzesnovelle, die dem ORF längere Abrufdauer als sieben Tage und vor allem Video- und Audio-Produktion zuerst und oder allein für Online erlaubt, ist vor der Wahl eher nicht zu rechnen. Die wird die Regierung voraussichtlich erst der nächsten ORF-Führung ab 1. Jänner 2022 mit auf den Weg geben. Im August entscheidet die ÖVP-nahe Mehrheit im ORF-Stiftungsrat die künftige Besetzung von Österreichs größtem Medienkonzern.

Kinder, Sport im Stream

"Wesentlichen Teilen des Kinderprogramms" verordnet das Strategiepapier die "Migration" aus dem Fernsehen in den Player, wo ein "Okidoki-Kindermodul" wartet. Ähnlich soll es dem Sport abseits der Premiumliga ergehen, der bisher auf ORF Sport Plus läuft. Bei diesem Spartensender dachte Wrabetz auch schon laut über einen Abschied aus dem linearen Fernsehen nach.

Ein anderes, noch viel breiteres Reizthema kam am Ende von Wrabetz' Präsentation: "Mittelfristig", so sagte er, müsse der ORF auch für Streaming GIS einheben – bisher darf er das laut Gesetz und Höchstgerichten nur für Rundfunk, also Radio und Fernsehen. Im Strategiepapier heißt es wörtlich: "Die Streaming-Lücke ist, egal auf welchem Weg, zu schließen." Egal meint: ob künftig gesetzlich vorgeschrieben oder über eine technische Hürde. Denn: Wesentliche Inhalte des ORF-Players sollen Userinnen und User nur mit einem Registrierungscode der GIS und Log-in zugänglich sein.

Das Strategiepapier will den ORF wie berichtet neben TV/Radio sowie dem Player auf eine dritte, gleichberechtigte Säule stellen: Social Media. Konsequenz vermisst hier Leonhard Dobusch, Innsbrucker Wirtschaftswissenschafter, Mitglied des ZDF-Fernsehrats und Medienunternehmer (Moment). Er veröffentlichte das Strategiepapier am Dienstag zu seiner Rezension auf netzpolitik.org.

Muss nicht scheitern

Dobuschs Befund: Eine eigene digitale Plattform, auch in Kooperation mit privaten Medien, gegen Google, Facebook und Co sei "angesichts der sehr starken Marktposition des ORF in Österreich nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt". Das sei ein "ambitionierter Versuch", einen Beitrag zur "digitalen Souveränität Europas zu leisten".

Aber: "Vor allem bei jüngeren Zielgruppen – und damit über 2025 hinausgedacht – stellt sich die Frage, ob ein ORF-Player mit der dynamischen Entwicklung auf den globalen Plattformen mithalten kann – oder ob es hier nicht doch eine 'Drittplattformen First'-Strategie bräuchte." Also ob der ORF nicht wie ARD und ZDF bei "Funk" vorrangig auf Youtube und andere soziale Plattformen setzen sollte. (Harald Fidler, 9.2.2021)