Das Spiel möge beginnen: Am Dienstagnachmittag (Ortszeit) begann das zweite Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump.

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56 der 100 US-Senatoren erklärten das Amtsenthebungsverfahren für verfassungsgemäß, darunter auch sechs Republikaner.

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Jamie Raskin argumentierte, dass ein Präsident sich nicht auf eine "Jänner-Ausnahme" berufen könne.

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Washington – Im US-Senat hat am Dienstag eine Mehrheit der US-Senatoren den Impeachment-Prozess gegen den früheren Präsidenten Donald Trump für verfassungskonform erklärt. Bei der Abstimmung votierten am Dienstag 56 der 100 Senatoren dafür, das Verfahren fortzusetzen, darunter auch sechs Republikaner.

Zuvor war im Senat vier Stunden lang über die Frage der Verfassungsmäßigkeit debattiert worden. Zu Beginn lässt Jamie Raskin, der Chefkläger, Videos abspielen, aufgenommen am 6. Jänner. Sie zeigen, wie ein entfesselter Mob gegen Polizeisperren anrennt. Wie uniformierte Beamte aus dem Weg geprügelt werden und die Angreifer mit Rufen wie "Hängt Mike Pence!" durchs Kapitol ziehen. Und wie Sprechchöre angestimmt werden: "Kämpft für Trump!"

Zuvor hatte der Präsident seine Anhänger auf einer Kundgebung in der Nähe des Weißen Hauses aufgefordert, zum Parlament zu marschieren. "Wenn ihr jemanden beim Betrügen erwischt, dürft ihr nach anderen Regeln spielen", rief er ihnen zu. Auch diesen Satz aus Trumps Rede, einen der seltener wiedergegebenen, ruft Raskin in Erinnerung, bevor er einen umso öfter zitierten einspielen lässt: "Wenn ihr nicht kämpft wie der Teufel, werdet ihr kein Land mehr haben."

Gleiches Recht für alle

Ein Präsident, sagt der Abgeordnete aus Maryland, könne sich nicht auf eine "Jänner-Ausnahme" berufen, darauf, dass in seinem letzten Amtsmonat andere Maßstäbe gelten. Auch in dieser Zeit dürfe er keine Verbrechen begehen. Wenn das, was Trump im Jänner 2021 getan habe, nicht eines Impeachments würdig sei, dann wisse er, Raskin, nicht, was überhaupt durch ein Impeachment zu ahnden sei.

Trumps Verteidiger legten einen teils erratischen Auftritt hin, vor allem Bruce Castor zeigte wenig inhaltliche Stringenz und äußerte kaum rechtliche, sondern politische Argumente. Der Prozess sei ein politisches Verfahren und eine Strafe für freie Rede. Die Demokraten sollten sich gut überlegen, ob sie ab nun bei jedem Präsidenten Impeachment-Verfahren sehen wollten. Trumps Anwalt David Schoen verstrickte sich mehrfach in Widersprüche, als er etwa die Demokraten im Repräsentantenhaus dafür kritisierte, so lange mit der Übermittlung der "Articles of Impeachment" an den Senat gewartet zu haben, obwohl es der Republikaner Mitch McConnell war, der den Senat nicht früher als am 19. Jänner zusammentreten ließ. Am 20. Jänner schied Trump aus dem Amt. Mit seinen Verteidigern war der Ex-Präsident offenbar selbst unzufrieden, CNN berichtete unter Berufung auf Vertraute Trumps, dass er quasi den Fernseher angeschrien habe.

Trumps Anwälte hatten den Prozess zuvor bereits mehrfach als ungesetzlich bezeichnet, weil er nach der Amtszeit Trumps stattfinde. Dem haben einige der hochkarätigsten Rechtswissenschaftler des Landes allerdings widersprochen. In einem offenen Brief, unterzeichnet von rund 150 Gelehrten, ist zu lesen, es sei sehr wohl gestattet, frühere Regierungsmitglieder, auch Präsidenten, am Ende eines Impeachment-Verfahrens für schuldig zu befinden und ihnen eine künftige Kandidatur für ein Wahlamt zu untersagen. Als Paradebeispiel gilt ein Fall aus dem Jahr 1876. Damals hatte sich ein Kriegsminister namens William Belknap massiv bereichert, indem er von einer Handelsniederlassung auf dem Gebiet des heutigen Bundesstaats Oklahoma regelmäßig hohe Dollarsummen kassierte. Noch bevor ihn das Repräsentantenhaus anklagen konnte, nahm Belknap seinen Hut. Der Prozess im Senat fand dennoch statt – und endete mit seinem Freispruch.

Historischer Prozess

Nach einem zwischen Demokraten und Republikanern ausgehandelten Kompromiss haben Anklage wie Verteidigung ab Mittwoch je 16 Stunden Zeit, verteilt über jeweils zwei Tage, um ihre Argumente vorzutragen. Danach müssen sie sich vier Stunden lang den Fragen der Senatoren stellen. Ob Zeugen vernommen werden, ist noch offen. Davon hängt wesentlich ab, wie lange die Prozedur dauert, ob sie schon Mitte nächster Woche beendet ist oder sich möglicherweise bis Ende Februar hinzieht.

Trump ist der erste Präsident der US-Geschichte, der zweimal vor den 100 Senatoren angeklagt wird. Beim ersten Mal hatte die Abgeordnetenkammer für ein Impeachment gestimmt, weil er seinen Amtskollegen in Kiew, Wolodymyr Selenskyj, zur Einleitung von Ermittlungen gegen seinen Rivalen Joe Biden bringen wollte. Im Gegensatz zu damals gibt es heute mehr und eindeutiges Beweismaterial.

Für eine Amtsenthebung müssten, sofern alle 50 demokratischen Senatoren dafür stimmen, auch 17 Republikaner plädieren. Aus heutiger Sicht scheint das unwahrscheinlich. Ein Beschluss, Trump die Bewerbung für ein öffentliches Amt zu verbieten, wäre danach mit einfacher Mehrheit zu erreichen. Es würde bedeuten, dass er 2024 nicht mehr kandidieren kann. (Frank Herrmann aus Washington, Noura Maan, 9.2.2021)