„Es war sehr enttäuschend, als mein Antrag auf Doppelstaatsbürgerschaft von den österreichischen Behörden abgelehnt wurde. Ich habe niemanden gekannt, der ähnliche Erfahrungen gemacht hatte, und konnte mich daher mit niemandem austauschen“, erzählt Gabriel Foguel (29). Er lebt mit seiner amerikanischen Frau in New York und arbeitet als Finanzanalytiker. Er ist einer der Mitbegründer der Bürgerinitiative „Doppelstaatsbürgerschaft für Österreich“ (doppelstaatsbuerger.at), eines im vergangenen Sommer als Facebook-Gruppe gestarteten Projektes.

Seine Mitorganisatoren befinden sich in Texas, Schweden und der Schweiz. Sie sind in Österreich geboren und aufgewachsen und haben als Erwachsene die österreichische Heimat aus beruflichen oder privaten Gründen verlassen. Ihr Ziel ist es, mehr Transparenz in den Antragsprozess zu bringen und eine Plattform zum Erfahrungsaustausch aufzubauen. Sie setzen sich für ein "modernes und gerechteres" Staatsbürgerschaftsgesetz ein.

Die Webseite von "Doppelstaatsbürgerschaft für Österreich".
Screenshot: Stella Schuhmacher

Martin Wallner (35) lebt in Austin, Texas, ist mit einer Amerikanerin verheiratet und als selbstständiger Unternehmer eines Start-ups tätig. „Ich habe immer angenommen, dass es einfach ist, die Doppelstaatsbürgerschaft zu bekommen. Nach einem Treffen mit einem Anwalt ist mir klar geworden, dass es sehr kompliziert ist. Das war das erste Aha-Erlebnis. Letzten Sommer haben wir dann die Facebook-Gruppe gegründet. Innerhalb kurzer Zeit haben sich hunderte angemeldet. Jetzt sind wir über 1.500 aktive Mitglieder. Ich wollte das eigentlich nur für mich machen, aber jetzt habe ich eine Verantwortung für die anderen.” Er wird in den nächsten Monaten den Antrag auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft einreichen und hofft, dass es für ihn klappt. In den USA kann er automatisch die Staatsbürgerschaft beantragen, da er seit fünf Jahren Besitzer einer Greencard ist.

Auch würde er sich gerne politisch mehr engagieren: ”Ich fühle mich als amerikanischer Staatsbürger und als Österreicher. Ich würde gerne hier wählen. Ich bin politisch sehr engagiert und würde gerne auf lokaler Ebene kandidieren.“

Die Coronapandemie habe die Situation für viele Auslandsösterreicher verschärft, meinen die beiden. „Ohne österreichische Staatsbürgerschaft kann man im Moment von den USA nicht nach Österreich reisen. Die Pandemie hat eindeutig bewiesen, wie wichtig die Staatsbürgerschaft ist. Die Argumente, die vor der Pandemie gegolten haben, gelten nicht mehr“. Und Wallner erzählt: „Ich habe ein Business hier in Texas. Bei den staatlichen Corona-Hilfen wird man nach der Staatsbürgerschaft gefragt. Hilfszahlungen der Regierung kann man sonst nicht erhalten. Die Pandemie ist der Grund, warum so viele zur Facebook-Gruppe dazugestoßen sind.“

Das österreichische Staatsbürgerschaftsgesetz sieht vor, dass bei einer willentlichen Annahme einer weiteren Staatsbürgerschaft der automatische Verlust der österreichischen eintritt. Nur in Ausnahmefällen und bei bestimmten Tatbeständen kann ein Antrag auf Beibehaltung bewilligt werden. Als Gründe für die Ausnahmen gelten, wenn die Beibehaltung im Interesse der Republik Österreich liegt, ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Privat- und Familienleben vorliegt, oder wenn die Beibehaltung dem Kindeswohl entspricht. Wie „im Interesse der Republik“ oder „ein berücksichtigungswürdiger Grund“ zu definieren sind, wird dabei von den Behörden in den Bundesländern, die für die Bewilligung im Einzelfall zuständig sind, entschieden.

„Es gibt große Unterschiede, wie die Bundesländer entscheiden. Manchmal entscheidet der Ressortchef, ein Beamter oder der Landeshauptmann. In den Ämtern wird das ganz unterschiedlich gehandhabt“, sagt Foguel.

Nimmt man die US-Staatsbürgerschaft an, verfällt automatisch die österreichische.
Foto: Stella Schuhmacher

Die Initiatoren haben zahlreiche Beispiele dafür gesammelt, wie unnötig schwierig die Bewilligung ist und zu welchen familiären Härtefällen das führen kann. Die Beispiele reichen von erschwerter Pflege für schwerbehinderte Familienmitglieder, von innerfamiliär völlig unterschiedlichen Staatsbürgerschaftskonstellationen, Planungsunsicherheit für Pensionisten, wo sie ihren Lebensabend gestalten können, bis hin zu starken beruflichen Einschränkungen.

Sie fordern klar definierte und zeitgemäße Kriterien für die Genehmigung der Beibehaltung, Ausnahmen für Familien (zum Beispiel für Auslandsösterreicherinnen und -österreicher mit ausländischen Ehepartnern), spezifische Regelungen für Minderjährige, und mehr Transparenz während des Prozesses. Auf der Website findet man hilfreiche Ressourcen, wie Expertengespräche zum Thema, Informationsmaterialien und Zugang zu juristischer Beratung. Und man hat die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.

„Im Bereich der Beibehaltung kann man leicht und unspektakulär die Lage verbessern. Wir wollen diese Thematik von der Einwanderungsdebatte trennen. Die Doppelstaatsbürgerschaft, also das Recht auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft bei Annahme einer ausländischen, ist ein anderes Thema, wird aber oft vermischt. Wir hoffen, dass der Gesetzgeber bald Lösungen für diese Problematik findet“, meint Foguel.

Global und auch innerhalb Europas sei der Trend zur Doppelstaatsbürgerschaft klar erkennbar und die meisten europäischen Länder erlauben die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bei Annahme einer weiteren, argumentieren sie. Und die Coronapandemie habe eines gezeigt: „Staatsbürgerschaft ist überlebensnotwendig in so einer Krisenzeit.“ (Stella Schuhmacher, 18.2.2021)

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