Bill Cassidy ist der sechste US-Republikaner, der dafür stimmte, dass das Impeachment-Verfahren gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump verfassungskonform ist.

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Washington – Wenigstens ansatzweise hat der erste Tag des Impeachment-Prozesses die Hoffnung genährt, dass vielleicht doch nicht alles von vornherein so klar ist, wie es zunächst den Anschein hatte. Vor Verhandlungsbeginn schien so gut wie ausgeschlossen, dass 17 Republikaner den Mut finden würden, mit einem Ex-Präsidenten zu brechen, der an der Basis ihrer Partei noch immer über enormen Einfluss verfügt. Dass jene 17 Republikaner zusammen mit den 50 Demokraten des Senats eine Zweidrittelmehrheit bilden könnten, die Donald Trump tatsächlich für schuldig befindet. Nach der ersten Abstimmung, bei der es am Dienstag allein ums Procedere ging, scheint das zwar immer noch unwahrscheinlich. Aber zugleich deutet sich an, dass vielleicht doch noch Bewegung in die Reihen der "Grand Old Party" kommen könnte.

Zumindest glimmt ein Fünkchen Hoffnung: Gut möglich, dass der eine oder andere Senator womöglich doch nach seinem Gewissen entscheidet und sich nicht darum schert, was die Trumpisten im Hintergrund als Drohkulisse aufgebaut haben. Wohlgemerkt, die Rede ist von einem Fünkchen. Sechs der 50 republikanischen Senatoren haben im Bunde mit den Demokraten entschieden, dass das Verfahren als solches verfassungskonform ist. Ende Januar, als zum ersten Mal darüber abgestimmt wurde, waren es nur fünf gewesen: Susan Collins, Lisa Murkowski, Mitt Romney, Ben Sasse und Pat Toomey. Nun kam mit Bill Cassidy, einem ehemaligen Mediziner aus Louisiana, ein Sechster hinzu. Es wäre vermessen, da schon vom Beginn einer Absetzbewegung zu sprechen.

Fast schon Plauderton

Interessant allerdings ist, wie Cassidy sein Votum begründete. Die Verteidiger Trumps, sagte er klipp und klar, hätten ihn nicht überzeugt. Sie hätten über vieles geredet, aber nicht über die Sache, die zu entscheiden war. Die Kläger des Repräsentantenhauses dagegen hätten mit so bezwingender Logik argumentiert, dass er seine Meinung gegenüber dem Votum im Januar geändert habe.

Vor allem Bruce Castor, der Jurist aus Pennsylvania, der Trumps Anwaltsteam leitet, sprach – fast schon im Plauderton – über dies und jenes, ohne sich dem eigentlichen Thema zu widmen. Er hatte darzulegen, warum es seiner Meinung nach verfassungswidrig ist, einen Präsidenten, der schon nicht mehr amtiert, seines Amtes zu entheben. Wirklich gelungen ist es ihm nicht. Jamie Raskin, der Chefankläger, der 26 Jahre lang an einer Uni Verfassungsrecht gelehrt hatte, bevor er für einen Sitz im Abgeordnetenhaus kandidierte, legte dagegen einen brillanten Auftritt hin. Sein Kernargument: Auch in seinen letzten Amtswochen dürfe ein abgewählter Präsident nicht agieren, als könne man ihn nicht mehr zur Rechenschaft ziehen. Schon deshalb müsse ein Impeachment auch dann möglich sein, wenn er das Weiße Haus bereits verlassen habe.

Was am Dienstag zu beobachten war, war ein Klassenunterschied zwischen Castor und Raskin. Wiederholt sich das in den nächsten Tagen, wenn der Hauptpunkt – Anstiftung zum Aufruhr – zur Verhandlung ansteht, dürfte es dem einen oder anderen Republikaner schwerfallen, bei seiner bisherigen Linie zu bleiben. Oder zumindest das Festhalten an seiner bisherigen Linie nachvollziehbar zu begründen. Allerdings müssten es elf Senatoren sein, die die Seite wechseln. Und das wäre dann doch, aus heutiger Sicht, eine faustdicke Überraschung. (Frank Herrmann aus Washington, 10.2.2021)