Teuer, teurer – am teuersten ist diese limitierte "Birkin"-Edition auf dem Schwarzmarkt.

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Sie ist klassisch, schlicht und elegant. Sie trägt keinen Namen und kein Logo, und doch kennen sie alle: die "Birkin" des Pariser Luxusanbieters Hermès. Benannt ist sie nach der Schauspielerin Jane Birkin, die dem Hermès-Vorsteher Jean-Louis Dumas – einem Nachfahren des Firmengründers Thierry Hermès – 1981 auf einem Flug geklagt haben soll, ihr fehle eine passende Handtasche.

So weit die Legende. Heute ist "die Birkin" – ebenso wie die etwas kleinere "Kelly" (nach der einstigen Fürstin von Monaco) – mehr als nur eine Handtasche. Sie ist ein Sammlerstück, ein Mietobjekt, und sie dient als Wertanlage. Ihr Verkaufspreis liegt bei über 7.000 Euro; auf Auktionen erzielte sie 2020 einen Rekordwert von 287.000 Dollar.

Gebraucht teurer als neu

Und damit beginnt das Problem: Das Bijou von Hermès ist gebraucht teurer als neu. Einmal in einem Hermès-Shop erstanden, lassen sich die kultigen "It-Bags" problemlos für ein Mehrfaches weiterverkaufen, sei es auf Internet, privat oder illegal – die Grenzen sind fließend. Laut Insiderschätzungen kommen nahezu die Hälfte aller "Birkins" oder "Kellys" wieder in den schwarzen oder grauen Handel, wenn sie einen der weltweit 300 Hermès-Läden verlassen haben.

Ende Januar hat die französische Kriminalpolizei nach langer Ermittlung einen zehnköpfigen Händlerring festgesetzt. Ein einschlägig bekannter Tunesier und mehrere Chinesen führten in der Pariser in der Rue du Faubourg Saint-Honoré einen Showroom. Dort, unweit des Élysée-Palasts, verkauften sie in einem luxuriösen, Hermès-ähnlichen Ambiente vorab asiatischen Kundinnen Handtaschen, die sie im nahen Hauptgeschäft von Hermès selber erstanden hatten.

Die "Birkin" gibt es in mehreren Farben.
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Überführter Scheinkäufer packte aus

Zu diesem Zweck setzten sie sogenannte "mules" (französisch für Maultiere) ein – anonyme Personen, die sich im Laden als gewöhnliche Kunden ausgaben. Wie genau, hat nun einer dieser überführten Scheinkäufer der Zeitung "Le Parisien" geschildert.

Der 28-jährige Franzose wurde über ein amerikanisches Mannequin akquiriert, nachdem er die bekannte Pariser Theaterschule Florent absolviert hatte. Er wurde schick eingekleidet und gab sich im Hermès-Shop sodann als reicher Sohnemann aus, der seiner bettlägerigen Mutter ein Geschenk machen wollte. Die Hermès-Verkäufer kennen allerdings die meisten Tricks solcher Fake-Kunden und unterwerfen sie – auch wenn auf formvollendete Art – einem eigentlichen Verhör.

Misstrauische Angestellte

"Die Angestellten sind sehr misstrauisch", erzählte der ausgebildete Schauspieler. "Sie beobachteten uns in den Hinterzimmern über Kameras. Deshalb musste ich zuerst andere Hermès-Produkte wie etwa Parfums kaufen. Und ja keine Fotos machen."

Schöpften die Verkäufer Verdacht, kamen sie mit leeren Händen aus dem Lager zurück. "Sie setzen das verbindlichste Lächeln auf, boten aber nur Taschen mit unmöglichen Farben an, oder sie setzten mich auf eine unergiebige Warteliste", erklärte der junge Franzose.

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Diese Tasche aus Krokodilleder wurde 2014 in Beverly Hills versteigert.
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Der angelernte "Maulesel" bekannte, er habe es wohl dreißigmal versucht, aber die entsprechenden Boutiquen nur viermal mit einer "Birkin" oder "Kelly" verlassen. Und nicht in Krokodil-, nur in Togo- oder Epsomleder.

Perfekte Komödie

Unangenehm für Hermès ist die Angabe des Schauspielers, dass in zwei Fällen ein Verkäufer mit ihm unter einer Decke gesteckt habe. Umso wichtiger sei es gewesen, dass sie beide den Überwachungskameras eine perfekte Komödie vorgespielt hätten. Außerdem erklärte der Festgenommene, er habe in den Läden immer wieder andere Fake-Kunden an ihrem Benehmen ausgemacht.

Das illegale Vorgehen zahlte sich aus: Laut der Pariser Kripo erwirtschaftete die Händlerbande monatlich eine Million Euro an Umsatz. Mehrere Jahre lang. Verhökert wurden die Taschen direkt in Paris oder über einen Showroom in Dubai Richtung Mittleren Osten, USA, Russland oder China. Die Preise betrugen oft das Doppelte des offiziellen Hermès-Preises von 7.000 bis 8.000 Euro. Für eine "Birkin" aus Krokodilleder fanden die Ermittler eine Rechnung über 45.000 Euro.

Hermès kämpft

Hermès kämpft seit langem gegen solche Praktiken, auch wenn in letzter Zeit eher Diebes- oder Fälscherbanden Schlagzeilen gemacht haben. Im Juni 2020 wurden in Paris sogar ehemalige Hermès-Näher verhaftet, die sich "selbstständig" gemacht und falsch Birkin-Bags abgesetzt hatten.

Der Pressedienst von Hermès nimmt ungern Stellung zu den Maultierpraktiken. Das Familienunternehmen, das die Hälfte seines Umsatzes von 6,9 Milliarden Euro (2019) mit Lederwaren erzielt und bisher ohne roten Zahlen durch die Covid-Krise gekommen ist, verliert nicht nur viel Geld, sondern auch an Image. Branchenkenner glauben deshalb, dass das Angebot der Luxustaschen zwecks Förderung des Kultstatus zu stark verknappt werde. Hermès erwidert, eine "Birkin", die ohne jede Nähmaschine gefertigt werde, erfordere nun einmal eine ganze Woche Handarbeit. (Stefan Brändle aus Paris, 11.2.2021)