Das neue Telekomgesetz soll sich an die aktuellen technischen Gegebenheiten anpassen.

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Vor fast 20 Jahren wurde das Telekommunikationsgesetz (TKG) zuletzt erneuert. Seitdem ist vieles passiert: Smartphones haben die Hosentasche erobert, SMS sterben einen langsamen Tod, und soziale Medien wie Facebook, Twitter oder Whatsapp sind die neuen Zeitfresser des Jahrhunderts. Eine Gesetzesnovelle soll im Wesentlichen die Rechtslage an die neuen technischen Gegebenheiten anpassen. Allerdings wird sie von Netzbetreibern und Konsumentenschützern scharf kritisiert. Der Entwurf wurde im türkisen Landwirtschaftsministerium formuliert und orientiert sich an einem 2018 verabschiedeten EU-Gesetz. Die Begutachtungsfrist endet am Mittwoch.

Das Gesetz soll im Wesentlichen die technischen Neuerungen der letzten Jahre miteinbeziehen. So sollen etwa künftig sogenannte Over-The-Top-Dienste (OTTs), also Angebote, die nicht vom Internetanbieter kontrolliert werden – beispielsweise Whatsapp –, durch die Telekombehörde reguliert werden.

Zudem will die Regierung mit der Novelle die Weichen für einen besseren Ausbau der Netze stellen. Das sorgt allerdings für herbe Kritik: Die neuen Leitungsrechte, durch die der Ausbau der Infrastruktur geregelt wird, sieht eine Abänderung der Haftungen vor. So müsse der Eigentümer eines Grundstücks künftig keinen Schadenersatz zahlen, wenn er Kabel eines Betreibers zerstört – auch wenn das fahrlässig geschieht. Der Rechtsinformatiker Nikolaus Forgó von der Universität Wien etwa moniert in diesem Zusammenhang in einem Blogeintrag, dass das Landwirtschaftsministerium dadurch Bauern ermögliche, weniger achtsam mit Kabeln, die auf ihrem Grundstück verlegt wurden, umzugehen.

Neue Haftungsvorgaben

Der Providerverband ISPA, zu deren Mitgliedern unter anderem die Mobilfunker "3" und Magenta gehören, kritisiert zudem, dass Betreiber für Folgeschäden auf einem Grundstück haften – auch wenn sie ohne ihr Verschulden entstanden sind. "Mit dem Gesetzesentwurf wurde zwar einigen Partikularinteressen entsprochen", sagt ISPA-Generalsekretärin Charlotte Steenbergen. "Der Gesetzgeber muss sich aber die Frage stellen, ob dies auf Kosten des öffentlichen Interesses am Breitbandausbau gerechtfertigt ist."

Im Bereich des Konsumentenschutzes verortet die Arbeiterkammer (AK) Defizite bei der Regelung von Handys, die gratis oder zu einem niedrigen Teilbetrag im Austausch mit einer Vertragsbindung vergeben werden. So müssten Verbraucher, die ihren Vertrag bei einem Mobilfunker vorzeitig auflösen, eine Abschlagszahlung entrichten oder das Smartphone zurückgeben. Der AK zufolge gelte das aber auch, wenn beispielsweise Tarife erhöht werden, die Geschäftsbedingungen zum Nachteil des Kunden verändert oder die versprochene Leistung nicht erbracht wird. Dabei würden die EU-Vorgaben eigentlich vorsehen, dass Konsumenten Verträge in Sonderfällen kostenlos kündigen können. "Alternativ ist eine deutliche Verkürzung der mit 24 Monaten sehr langen Mindestvertragslaufzeit ebenso denkbar wie, eine Beschränkung des Spielraums für Anbieter, Verträge jederzeit unlimitiert zu ändern", sagt AK-Konsumentenschützerin Daniela Zimmer. Die Grundrechts-NGO Epicenter Works fordert zudem ein Sonderkündigungsrecht, wenn versprochene Internetgeschwindigkeiten nicht eingehalten werden.

Kritische Infrastruktur

Weiters sieht das Gesetz vor, dass künftig Anbieter von infrastrukturkritischen Netzwerkkomponenten vom Markt ausgeschlossen werden können, sofern sie ein Sicherheitsrisiko darstellen. Dabei dürfte an den chinesischen Hersteller Huawei gedacht worden sein, der immer wieder mit Spionagevorwürfen konfrontiert wird. Thomas Lohninger, Geschäftsführer von Epicenter Works, warnt in diesem Zusammenhang, dass der "Fachbeirat für Sicherheit in elektronischen Kommunikationsnetzen", der künftig derartige Entscheidungen treffen können soll, mehrheitlich aus Vertretern der Ministerien bestehen soll. Da die Gründe für einen Ausschluss im Entwurf zu vage formuliert seien, wäre ein derartiges Verbot künftig eine politische Entscheidung. Stattdessen empfiehlt er, auf IT-Sicherheitsforscher österreichischer Hochschulen zu setzen.

Außerdem kritisiert Lohninger, dass der Vorsitz der Telekomregulierungsbehörde künftig vom Landwirtschaftsministerium vorgeschlagen werden soll. Bisher stellte der Oberste Gerichtshof drei Personen auf, die Bestellung erfolgte dann über die Bundesregierung. Durch diese Änderung könnte die Behörde ihre Unabhängigkeit verlieren.

Netzneutralität

Offen ist auch, wie künftig mit der Netzneutralität umgegangen werden soll. Sie sieht vor, dass jeglicher Datenverkehr im Netz gleich behandelt werden muss. So dürfen etwa Youtube-Videos keine höhere Geschwindigkeit aufweisen als ein Besuch einer Zeitungswebseite. Da aber gleichzeitig Netzsperren bei Urheberrechtsverletzungen vorgeschrieben werden, fordert die ISPA mehr Rechtssicherheit für Betreiber – etwa anhand eines Verfahrens durch eine unabhängige Behörde.

"Diese Novelle ist weder für den Konsumentenschutz noch für den Wettbewerb noch für den weiteren Ausbau der Hochleistungsnetze hilfreich", kritisiert die SPÖ. Man hoffe, dass das Begutachtungsverfahren Nachbesserungen bringt.

Der Neos-Abgeordnete und Digitalisierungssprecher Douglas Hoyos fordert Nachschärfungen, da sonst Investitionen in den notwendigen Ausbau gehemmt werden könnten. "Außerdem sehen wir bei den Regelungen zu ,Hochrisikolieferanten‘ wie etwa Huawei noch Nachschärfungsbedarf", sagt er zum STANDARD. Das Landwirtschaftsministerium will die bisherigen Stellungnahmen prüfen und im Gesetzgebungsprozess einfließen lassen. Das neue TKG soll noch vor dem Sommer im Parlament behandelt werden. (Muzayen Al-Youssef, 10.2.2021)