So viele Kinder kann Karl Nehammer gar nicht abschieben lassen, um dauerhaft von den derzeit im Tagesrhythmus enthüllten Beispielen für Korruption und Unfähigkeit im Verantwortungsbereich seines Ministeriums abzulenken. Das ahnend, könnte er in Zukunft öfter auf die "Mein Name ist Hase"-Strategie setzen, wie er es schon unlängst bei der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Neos getan hat. Steffi Krisper und Co wollten von ihm wissen, worum es bei einem Treffen zwischen dem Novomatic-Lobbyisten B. und dem hohen Innenministeriumsbeamten T. gegangen ist, woraufhin Nehammer behauptete, ein "wie auch immer geartetes Verhältnis" des B. zu Novomatic sei weder ihm als Minister noch den Beamten seines Ministeriums bekannt.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Eine Wissenslücke, die erstaunlich wirkt, denn zu ihrer Schließung hätte er nur nachfragen oder -lesen müssen, was ein paar Monate zuvor im parlamentarischen Untersuchungsausschuss besprochen wurde. Dort berichtete die zum Thema "Novomatic zahlt an alle drei" geladene Auskunftsperson Peter Barthold von diversen Pro-Novomatic-Interventionen des besagten Herrn B., die in einer bizarren Drohbotschaft gipfelten: Einen mit Barthold befreundeten ÖVP-nahen Geschäftsmann mit besten Kontakten zu Kanzlerberater Bernhard Bonelli warnte B. per Mail, dass es "wegen dieser Novo/Barthold-Scheiße eng für Dich wird, weil Du in Deinem naiven Gutmenschentum so was von dämlich agierst … Du Depp bist schon viel zu weit gegangen, ohne dass es Dir was bringt, ausgenommen Riesenprobleme. Hör auf mich, verdammt nochmal!!!!"

Wahrnehmungsschwelle

Nun könnte man meinen, das öffentliche Bekanntmachen solcher Drohungen – sogar die Kronen Zeitung hat darüber berichtet – müsste auch die Wahrnehmungsschwelle eines vielbeschäftigten Innenministers problemlos überschreiten. Bei Karl Nehammer war diese Schwelle aber möglicherweise blockiert, weil er B. noch als aktiven Kommunikator in ganz anderer Sache gedanklich abgespeichert hatte. Nämlich als "Medienberater" des legendären Eurofighter-Lobbyisten Herbert Werner.

Herr Werner hatte einst vom Eurofighter-Hersteller EADS 6,5 Millionen Euro bekommen, mit denen er laut B.s Angaben "verhindern sollte, dass Jörg Haider den Eurofighter-Deal platzen lässt". Ein letztendlich von Erfolg gekröntes Vorhaben, das von den österreichischen Steuerzahlerinnen und -zahlern finanziert wurde, diesen aber immerhin einen kleinen Trost in Form eines oft zitierten Skurrilitäts-Höhepunktes der heimischen Korruptionsgeschichte gespendet hat: Die bei EADS gefundenen Leistungsbeschreibungen von Werners Firma "City Chambers", nämlich "Lobbying bei Dr. W. Lüssel, Dr. J. Laider und K.H. Lasser".

Zwischen all den fassungslos machenden Ungeheuerlichkeiten des Eurofighter-Schmiergeld-Skandals bietet diese Anekdote wenigstens ein bisschen Anlass zum Schmunzeln. Und wer weiß, vielleicht tauchen auch in der "Novomatic zahlt an alle drei"-Affäre noch ähnlich erheiternde Dokumente auf. Denkbar wäre beispielsweise folgende Leistungsbeschreibung: "Lobbying bei H.C. Lache, Mag. G. Lümel und Mag. W. Lobotka". Da könnte dann sogar unser Innenminister ahnen, von wem hier die Rede ist. (Florian Scheuba, 11.2.2021)