Covid-Impfstoffe in Österreich produzieren? Österreich lässt sich damit vor den politstrategischen Karren Chinas und Russlands spannen, sagt Europarechtsexperte Stefan Brocza im Gastkommentar.

Nach einer Zulassung der beiden Vakzine "würde Österreich ganz bestimmt versuchen, Produktionskapazitäten bei geeigneten einheimischen Unternehmen für russische oder chinesische Impfstoffe zur Verfügung zu stellen", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz der "Welt am Sonntag".
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Vor knapp einem Jahr – zu Beginn der Covid-Pandemie – haben sich China und Russland mit ein paar überschaubaren Alibi-Lieferungen an benötigter Schutzausrüstung und Hilfsgütern einen massiven PR-Erfolg in Europa verschafft. Gut in Erinnerung sind noch die sehnsüchtig erwarteten Maskensendungen, inklusive dazugehöriger Live-Berichterstattung über ihre Ankunft. Sowohl Menge wie auch Qualität gaben zwar Grund zur Beanstandung, im kollektiven Gedächtnis blieben jedoch die positiv besetzte Maskenpolitik Chinas und die fast schon surreal anmutende Landung militärisch-medizinischer Einheiten Russlands in Italien.

Jetzt wiederholt sich dieses Schauspiel. Diesmal exportieren Russland und China die heiß ersehnten Covid-Vakzine in immer mehr Länder. Insbesondere China ist mit dem Verkauf seiner Impfstoffe so beschäftigt, dass es deshalb auf absehbare Zeit sogar zu wenige Impfdosen für die eigene Versorgung haben wird. In China geht man aktuell davon aus, dass die eigene Bevölkerung erst 2022 geimpft werden kann. Und wieder fallen viele Kommentatoren und Politiker auf das gut inszenierte Schauspiel herein.

Der große Erfolg

In Serbien, wo die politische Führung schon länger ihr Heil in russischen und chinesischen Finanzierungsangeboten für Infrastrukturprojekte sieht, setzt man im großen Umfang auf Covid-Impfungen aus Russland. Ungarn hat als erstes und bisher einziges EU-Mitgliedsland die Impfstoffe mittels Notzulassung erlaubt, und erst kürzlich verkündete Kanzler Sebastian Kurz in einem seiner fast schon zur Tradition gewordenen Interviews mit der bundesdeutschen Springer-Presse, dass Österreich ja auch russische und chinesische Covid-Impfstoffe produzieren könnte. Das das alles reine Spekulation ist und weit und breit kein österreichisches Unternehmen bereitsteht, dies auch wirklich zu tun, scheint egal. Was einzig zählt, ist die damit verbundene PR. Dass sich Österreich damit vor den politstrategischen Karren Chinas und Russlands spannen lässt, kümmert niemanden.

"Riskante Leerstellen"

Wobei Österreich offensichtlich auch seine eigene kleine "Impfdiplomatie" gestartet hat: Außenminister Alexander Schallenberg fordert jedenfalls schon einmal die Abgabe von EU-Impfstoffen an Balkanländer, um "riskante Leerstellen" auf der europäischen Impflandkarte zu vermeiden. "Österreich ist bestrebt, die Dinge in Bewegung zu bringen", twitterte er selbstbewusst. Mit welchen Impfstoffen das geschehen soll, steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht mit den vom Kanzler angekündigten in Österreich hergestellten chinesischen und russischen Vakzinen? Mit solchen Kleinigkeiten hält man sich in Österreich nicht auf.

Den absoluten Vogel abgeschossen hat jedoch Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Er hat nämlich bereits Mitte Jänner seine Regierungskollegen im Ministerrat darüber informiert, dass er mit verschiedenen Drittstaaten Verhandlungen über den Verkauf überzähliger Impfdosen aufgenommen hat. In Österreich? Das nennt man wohl dann tatsächlich das Fell des Bären verteilen, bevor man ihn noch erlegt hat.

Wie auch immer. Die Verteilung dringend benötigter Impfstoffe ist längst nicht mehr ein innenpolitisches Thema allein. Es lässt sich damit auch wunderbar Diplomatie betreiben. Einmal erfolgreicher – wie im Fall Chinas und Russlands. Ein anderes Mal wieder eher armselig und zum Fremdschämen – wie im Falle Österreichs. (Stefan Brocza, 11.2.2021)