Wenn du nicht mehr weiterweißt, so gründe einen Arbeitskreis; weißt du das Ergebnis schon, so gründe eine Kommission: So lästerte die Opposition, als Innen- und Justizministerium eine Untersuchungskommission einsetzten, um etwaige Behördenfehler im Vorfeld des Terroranschlags in Wien prüfen zu lassen. Nach der Vorlage ihres Endberichts muss man festhalten, dass der Kommission im Vorfeld damit unrecht getan wurde. Denn sie erwies sich unter der Leitung der Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes als außergewöhnlich hartnäckig und schonungslos.

Einer der Tatorte des Terroranschlags in Wien.
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Womöglich wurde auch das Innenministerium davon überrascht. Denn in ihrem Bericht hält die Kommission einige Merkwürdigkeiten fest, die für brisante Spekulationen sorgen. Eine der zentralen Fragen ist, wie viel Innenminister Karl Nehammer, sein Kabinett, sein Generalsekretär sowie der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit von der Wiener Jihadistenzelle und deren Gefährlichkeit wussten. Welche Berichte wurden vonseiten des Verfassungsschutzes (BVT) an die politischen Verantwortungsträger gelegt?

Dazu wurde vonseiten des Ministeriums gemauert. Die Kommission verlangte "präzisere Auskunft"; ihr wurde gesagt, dass vom BVT durchaus auch "operative Lagebilder" zum Thema islamistische "terroristische Gefährder" an das Ministerium gelangen. Gezeigt wurden der Kommission jedoch nur Lagebilder aus anderen Themenbereichen, weil "bedauerlicherweise" just für die entscheidenden Monate Juli, August, September und Oktober 2020 keiner dieser Berichte "übermittelt werden konnte". Auf die Frage, ob das heiße, dass es keine Berichte gab, antwortete das Ministerium nur, dass man nichts mit Bezug zum späteren Attentäter erhalten habe. Bei Lagebildern zu "Foreign Terrorist Fighters" lieferte das Ministerium ein irrelevantes Dokument aus dem Jahr 2019. Für Juli bis Oktober 2020 existiert angeblich kein solches Dokument.

Das riecht nach Vertuschung. Es steht im Raum, dass zumindest die hierarchische Ebene direkt unter dem Minister vom internationalen Jihadistentreffen in Wien im Juli 2020 oder vom versuchten Munitionskauf des späteren Attentäters in der Slowakei gewusst hat. Die Untersuchungskommission konnte diese wichtige Frage nicht klären, weil das Innenministerium plötzlich nicht mehr kooperierte. Allein das sollte schon die Alarmglocken läuten lassen. Mit diesem Endbericht ist die Arbeit der Kommission abgeschlossen, die Aufklärung aber noch lange nicht. Nun muss die Politik übernehmen.(Fabian Schmid, 10.2.2021)