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Rawiri Waititi ohne Krawatte, aber mit Halsband. Aus Sicht des neuseeländischen Parlaments ist dies nun doch eine ausreichend "geschäftsmäßige" Kleidung.

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Eine Krawatte hatte Waititi, der sich gegen Assimilation wehrt, als "koloniale Galgenschlinge" bezeichnet.

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"Der Abgeordnete kann jetzt nicht sprechen, er ist nicht am Wort, und er wird jetzt die Parlamentskammer verlassen", sagt Trevor Mallard, und man sieht dem Sprecher des neuseeländischen Unterhauses an, dass er sich auch nicht ganz sicher ist, ob das, was er da tut, so wirklich richtig ist. Gnade lässt der Labour-Politiker aber nicht walten. Der Abgeordnete und Chef der Maori Party, Rawiri Waititi, darf nicht sprechen und muss den Raum verlassen.

Sein Vergehen: Statt einer Krawatte trägt er einen schwarzen Hut und eine Hei-Tiki-Halskette – eine aus Holz geschnitzte Figur. Damit, so seine Argumentation, entspreche er den Bedingungen des Unterhauses, das das Rederecht an "Geschäftskleidung" knüpft. Es gehe um kulturelle Identität, hört man ihn noch sagen, bevor er die Kammer verlässt.

Kurz zuvor hatten sich, so Mallard, eine Mehrheit der Parlamentsabgeordneten noch dafür ausgesprochen, die Kleiderordnung im "Beehive", wie das Parlament in Wellington wegen seiner charakteristischen Bauweise heißt, beizubehalten – gegen den Wunsch des Parlamentspräsidenten. Das bedeute seiner Einschätzung nach: Sakko und Krawatte.

Ihn seien also die Hände gebunden. Tags darauf war das dann plötzlich nicht mehr so – plötzlich durfte Waititi bei seinem nächsten Auftritt doch auch ohne Krawatte sprechen. Mallard erklärte, ein zuständiges Komitee haben sich in der Zwischenzeit doch dafür ausgesprochen, dass auch die Geschäftskleidung anderer Kulturen als der britischen Tradition anerkannt werden sollten. Die Entscheidung sei nicht einstimmig gefallen, aber immerhin mit Mehrheit.

Kampf gegen die Assimilation

Dazwischen hatte die Kontroverse nicht nur in Neuseeland heftige Debatten um den Umgang der Politik und der Geschäftswelt mit der westlichen Kleiderordnung und dem Aufdrücken kultureller Standards ausgelöst. In sozialen Medien kursierte der Hashtag #no2tie, viele internationale Medien widmeten sich der Causa. Und auch in Neuseeland selbst, das sich bisher eines besonders inklusiven Parlaments gerühmt hatte, sorgte die Debatte für historische Überlegungen. Premierministerin Jacinda Ardern, die 2018 selbst im Maori-Kleid zu einer Audienz im Buckingham Palace erschienen war, sagte, sie glaube nicht, dass es den Menschen im Land wichtig sei, ob Abgeordnete Krawatten trügen.

Waititi hatte schon vorher gegen die Krawattenpflicht gewettert. Unter anderem hatte er in seiner Antrittsrede im vergangenen Herbst von einer "kolonialen Galgenschlinge" gesprochen, außerdem hatte er sich geweigert, seinen Amtseid auf die britische Königin Elisabeth II. abzulegen, ohne dabei den Vertrag der Briten mit den Maori – den Vertrag von Waitangi 1840, der als Gründungsdokument Neuseelands gilt – zu erwähnen. "Für uns geht es um den Kampf gegen die Unterwerfung und die Assimilation", sagte er nun infolge der Entscheidung, die ihm das Krawattentragen doch erlaubte. "Für viele Neuseeländer ist das, was ich getragen haben, eine Krawatte."

"Wie vom Bau"

Abseits der kulturellen Fragen gibt es aber auch in anderen Parlamenten immer wieder Debatten um die Kleiderordnung. 2014 etwa sagte Erwin Rasinger, damals Gesundheitssprecher des ÖVP-Parlamentsklubs, er störe sich an der Kleidung der Grün- und Neos-Abgeordneten Julian Schmid und Matthias Strolz. Ersterer sehe im Kapuzenpullover aus "wie ein fehlgeleiteter Parlamentsmitarbeiter", Strolz ohne Krawatte und mit aufgerollten Hemdsärmeln so, als "komme er grade vom Bau". Das, so Rasinger damals, "disqualifiziert sich von selbst".

Ihm widersprach damals die mittlerweile verstorbene Parlamentspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ). Man solle nicht Debatte weiterführen, "die schon vor 25 Jahren erledigt waren", sagte sie. Jeder solle selbst entscheiden, was er im Nationalrat tragen wolle. (mesc, 10.2.2021)