Österreicher hängen seit der Krise länger im Firmennetzwerk.

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Wer kennt das nicht: Im Homeoffice verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit, Kinderbetreuung und Freizeit. Rasch den Geschirrspüler ausräumen oder die Wäsche aufhängen, das geht auch während ausufernder Video-Meetings. Umgekehrt wird dafür nicht selten außerhalb der Normalarbeitszeit eine Extraschicht eingelegt, wenn der Chef oder ein Kunde noch einen dringenden Wunsch äußern.

Wie wirkt sich das nun insgesamt auf die Arbeitszeit aus? Eines vorweg: Genau lässt sich das nicht sagen. Allerdings gibt es Hinweise, dass Heimarbeit zu längerer Dienstverrichtung führt. Schon im Sommer hat eine von Soziologieprofessor Jörg Flecker durchgeführte Umfrage zu dem Ergebnis geführt, dass sich die Arbeit im Homeoffice "mit Unterbrechungen von früh bis spät" verteile. 57 Prozent der Befragten gaben das an. Keine Mehrheit, aber immerhin 41 Prozent meinten, auch außerhalb der vereinbarten Arbeits- oder sonst üblichen Bürozeiten regelmäßig kontaktiert zu werden.

Österreicher früher dran

Nun zeigen neue Daten, dass der Arbeitseinsatz der Beschäftigten seit Corona gestiegen sein dürfte. Die Firma NordVPN Teams hat anhand von Server-Informationen erhoben, dass die Mitarbeiter seit Ausbruch der Krise deutlich länger mit der Firma verbunden sind als davor. Besonders stark ist der Anstieg demnach in den USA, wo die Log-in-Zeit von acht auf elf Stunden stieg, und in Großbritannien (von neun auf elf Stunden). Österreich zählt zu der Gruppe mehrerer Länder wie Spanien, Frankreich und Italien, in denen der Remote täglich eine Stunde täglich dauert als zuvor.

Die Untersuchung, die für die Nachrichtenagentur Bloomberg durchgeführt wurde, zielt nicht auf Homeoffice ab. Allerdings wird der gestiegene Anteil der Heimarbeit als Grund für die Veränderung gesehen. Zudem verweist NordVPN Teams auf den Wegfall von Arbeitswegen, der möglicherweise für die Erledigung von Aufträgen genutzt wird.

Auffällig bei den Log-in-Daten ist, dass die Österreicher früher dran sind als ihre Kollegen in anderen Ländern. Während Italiener im Schnitt um 9.30 Uhr im Firmennetz aktiv sind, wird hierzulande ab 7.45 remote gearbeitet. Dafür wird das Arbeitsgerät auch früher abgedreht, nämlich gegen 18.45 Uhr, zeigen die Daten des Netzwerkverbinders.

Massive Kontrolle

Die sind natürlich relativ, weil einerseits auch gearbeitet wird, wenn man nicht mit dem Büro "connected" ist. Andererseits sagt der Status "remote" nicht notwendigerweise etwas darüber aus, ob gewerkt, geshoppt oder Wohnung gesucht wird.

Dennoch seien die Schlüsse, dass die Beschäftigten in der Pandemie länger arbeiten, plausibel, sagt Flecker. Der Professor am Institut für Soziologie der Universität Wien bringt dazu ein weiteres Ergebnis seiner Untersuchung als Begründung: Fast die Hälfte der Befragten gab an, dass die Dauer ihrer Tätigkeit elektronisch kontrolliert werde. Flecker meint dazu, dass es für den Arbeitgeber leicht erkennbar sei, ob man verbunden ist. Und wenn nicht, "reiche schon das Gefühl, kontrolliert zu werden", erläutert er.

Hemmungen bei Krankenstand

Eine im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) durchgeführte Ifes-Umfrage bringt nicht unähnliche Ergebnisse. So gibt die Mehrheit der Befragten an, eher von zu Hause zu arbeiten als in den Krankenstand zu gehen, wenn die Gesundheit beeinträchtigt ist. Noch deutlicher ist die Zustimmung zu der Frage, ob – statt Pflegeurlaub zu nehmen – im Homeoffice Dienst verrichtet werde. "Das zeigt deutlich, dass die Menschen Hemmungen haben, Krankenstand oder Pflegeurlaub anzumelden", sagt Christian Dunst von der AK.

Was ebenfalls zu höherem Arbeitsdruck führen dürfte, ist die wirtschaftliche Lage. "In der jetzigen Situation kommt die Angst um den Arbeitsplatz hinzu", erklärt Professor Flecker. Mehrarbeit wäre daher zumindest möglich, auch wenn Arbeitszeit-Daten der Statistik Austria keinen Hinweis darauf geben. Der Soziologe meint zudem, dass Mitarbeiter verstärkt versuchten, sich hervorzutun, um beim Arbeitgeber einen guten Eindruck zu hinterlassen. Eines räumt aber auch Flecker ein: Inwieweit jetzt während der Homeoffice-Log-in-Zeit gebügelt und privat gesurft wird, lasse sich nicht feststellen. (Andreas Schnauder, 11.2.2021)