Gernot Blümel will herausfinden, ob gegen ihn ermittelt wird

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Einst fallführende Staatsanwältin in der ÖVP-Schredderaffäre, dann von der Oberstaatsanwaltschaft Wien ermahnt, dann aus Frustration aus der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ausgeschieden: Der Sommer und Herbst 2020 von Christine J. lieferten alle Zutaten, um sie zu einer brisanten Aussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss zu bringen. Und J. enttäuschte nicht.

So sprach sie von "politischem Störfeuer" bei ihren Ermittlungen. Die WKStA könne sich laut J. kaum mehr auf ihren eigentlichen Job konzentrieren, weil sie so viele Berichte schreiben müsse. Außerdem erzählte sie von überbordendem Einfluss durch die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, die bei der WKStA für die Dienst- und Fachaufsicht zuständig ist.

Diese habe den Ibiza-Akt mit einer Weisung begonnen – mit dem Inhalt, dass "keine Straftat vorliegt". Als sie darüber hinaus E-Mails zwischen Christian Pilnacek, damals Sektionschef im Justizministerium, und OStA-Wien-Leiter Johann Fuchs gelesen habe, habe es sie "wirklich hingesetzt", so "unfassbar" sei das gewesen. Dort schrieb Pilnacek etwa, Justizminister Josef Moser (ÖVP) wolle die WKStA "außen vor" lassen. Moser bestreitet, das je gesagt zu haben; laut Justizministerium bezog sich das lediglich auf die Medienarbeit. Wegen dieser Mails, die dem U-Ausschuss nicht vorgelegt wurden, wird nun ein Verfahren gegen Pilnacek und Moser geprüft – es gilt die Unschuldsvermutung.

Die Angst vor Leaks

Dass die WKStA drei Tage vor bedeutenden Verfahrensschritten – etwa Hausdurchsuchungen – an die OStA berichten muss, sorgt nach wie vor für Irritationen. Derzeit gebe es laut J. Ermittlungen gegen unbekannt, weil womöglich Razzien vorab an Betroffene verraten worden waren.

Sie selbst hatte in der ÖVP-Schredderaffäre ermittelt, wo es ebenfalls zu Weisungen gekommen war – schlussendlich landete der Fall bei der "normalen" Staatsanwaltschaft Wien, die das Verfahren einstellte. Über das interne Tagebuch im Schredderakt, das an den U-Ausschuss ging, wurden die Vorgänge publik. Deshalb soll J. eine "Ausstellung" erhalten haben, eine Art von disziplinarrechtlicher Rüge durch die Oberstaatsanwaltschaft. Die habe sie bekämpft, die Ausstellung musste dann zurückgenommen werden. Für J. war damit aber "das Fass vollgemacht", weshalb sie sich aus der WKStA verabschiedete und eine Richterlaufbahn einschlug.

Schon in ihrem Eingangsstatement wandte sich J. mit einem Plädoyer an die Abgeordneten: "Bitte sorgen Sie dafür, dass die WKStA Korruption unabhängig bekämpfen kann!" Besonders, wenn Regierungsmitglieder oder Parteiangehörige einer Regierungspartei betroffen seien, sei es für die WKStA schwierig, frei zu ermitteln, sagte J. dem Verfahrensrichter im Untersuchungsausschuss.

Schweigsamer Ibiza-Anwalt

Deutlich zugeknöpfter gab sich zuvor Anwalt R. M., der als erste Auskunftsperson geladen war. M. gilt als einer von zwei Drahtziehern des Ibiza-Videos. Später soll er es auch zum Verkauf angeboten haben. Bei fast allen Fragen der Abgeordneten entschlug sich M. mit Verweis auf laufende Ermittlungen. "Ich habe mich dem Ausschuss nicht aufgedrängt", entschuldigte sich M. für sein Schweigen.

Viele Details zu Ibiza sind aber ohnehin schon aus den Akten bekannt. Neue Transkripte heimlich aufgenommener Treffen zeigen, dass Gudenus nach Ibiza versuchte, die Wogen zwischen den vermeintlichen Investoren und Strache zu glätten. "Schau, erst einmal. Das, das soll jetzt kein Angriff sein, ja? Ich hab ein Grundvertrauen. Aber in Wirklichkeit haben wir noch immer keinen Pass von ihr gesehen. Ja? Von dir auch nicht. Ja? Also haben wir keine Bonität", erklärt Gudenus. Man könne einfach nicht so frei reden: "Was glaubst, wie der HC paranoid ist, das ist ja irre."

Und, ironischerweise: "Ein Beispiel, ja? Das ganze könnte genau so sein – pff ich glaube es nicht; aber dass da fünf Kameras sind und drei Mikrofone und dass dann alles auf dem Tisch landen wird. Nicht jetzt hier, nicht hier."

Kontaktmann Julian H. fragt nach: "In Ibiza meinst oder?" Gudenus: "In Ibiza und und und (...) theoretisch." Deshalb könne man sich das nächste Mal an einem Ort treffen, den Strache aussucht, machen sich die beiden aus. Als Zeichen des Interesses solle Gudenus aber eine Presseaussendung über Hans Peter Haselsteiner verfassen, fordert Julian H. Was dann auch geschieht: "Wer zahlt, schafft an" ist in dieser zu lesen. Auch dazu äußerte sich Anwalt M. im U-Ausschuss nicht.

Gernot Blümel, vielleicht beschuldigter Finanzminister

Im U-Ausschuss spürte man auch noch die Nachwirkungen eines Tweets, der tags zuvor abgesetzt worden war: Ashwien Sankholkar, meist sehr gut informierter Chefreporter der Rechercheplattform Dossier, hatte entdeckt, dass Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Beschuldigter geführt wird. Genannt wird Blümel auf einer jener Listen, die alle Angezeigten, Verdächtigen und Beschuldigten in einem Strafakt anführen. Das entsprechende Dokument im Casinos-Akt soll Mitte Jänner aufgefrischt an den U-Ausschuss geliefert worden sein, mitsamt der Nennung Blümels.

Der Finanzminister tauchte immer wieder in den Akten auf, er kommunizierte unter Türkis-Blau, als er Kanzleramtsminister war, durchaus intensiv mit dem damaligen Novomatic-Chef Harald Neumann. Offenbar wollte der Glücksspielkonzern über Blümel einen Termin bei Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) organisieren. Neumann wollte Blümel im Novomatic-Forum treffen, denn "da hört wenigstens niemand zu! Kann Fisch bestellen!" Außerdem wollte man sich bei einer Veranstaltung "kurz zurückziehen (das Schloss ist ja groß genug ;-) )".

Blümel will Auskunft

All das ist schon monatelang bekannt, Neumanns Smartphone wurde schon lange ausgewertet. Die SPÖ hatte dann im Laufe des Ibiza-Ausschusses die These entwickelt, es habe einen "ÖVP-Novomatic-Deal" gegeben – und den auch zur Anzeige gebracht. Die Novomatic bestreitet das vehement, sie reichte sogar Klage gegen den roten Fraktionsführer Jan Krainer ein. Aufgrund der Sachverhaltsdarstellung der SPÖ wurde Blümel offenbar im Herbst zum "Angezeigten", die WKStA sah aber keinen Anfangsverdacht, sodass Blümel hier weder zum "Verdächtigen" noch zum "Beschuldigten" wurde.

Wie kam Blümel nun auf die Liste der Beschuldigten? Die WKStA gibt dazu keine Auskunft; der Finanzminister erhielt auch keine Verständigung. Wäre er tatsächlich Beschuldigter, wäre das nur erlaubt, wenn seine Benachrichtigung die Ermittlungen gefährden würde. In den Akten finden sich bislang keine Vorwürfe gegen Blümel. Sein Anwalt will nun von der WKStA Klarheit erlangen.

Dazu im U-Ausschuss befragt, wollte die ehemalige Staatsanwältin Christine J. keine Auskunft erteilen. "Es ist nicht so einfach, die Antwort zu geben", sprang ihr der Verfahrensrichter bei. Ein Nachbohren Krainers bei J. wurde von Blümels Parteifreund Wolfgang Sobotka, dem Ausschussvorsitzenden, unterbrochen. Die Angelegenheit ist jedenfalls bizarr. So blieb der Opposition nichts anderes übrig, als den Rücktritt Blümels in eventu zu fordern – sollte er tatsächlich Beschuldigter sein. Der fühlt sich unbescholten.

In der WKStA soll man über das Versehen, also das öffentliche Bekanntwerden des möglichen Beschuldigtenstatus, jedenfalls nicht glücklich sein. (Fabian Schmid, Renate Graber, 10.2.2021)